München – Es war alles andere als eine Liebesheirat. Nicht einmal eine Vernunftehe. Als die beiden Landkreise Schongau und Weilheim vor genau 50 Jahren vereint wurden, war der Protest heftig – und erfolglos. Der Kreis Schongau war mit seinen damals 38 000 Einwohnern aus Sicht der CSU zu klein, um als selbstständiger Landkreis fortbestehen zu können. Als Durchschnittsgröße hatte die Staatsregierung damals 80 000 Einwohner festgelegt. Die Schongauer hätten sich lieber mit Füssen zusammengetan. Weilheim sahen sie als ein „hinter der allgemeinen Entwicklung zurückgebliebenes Gebiet“. Doch das Innenministerium lehnte die Fusion mit dem schwäbischen Füssen ab. Eine Zusammenlegung über die Regierungsbezirks-Grenzen hinaus sei unerwünscht. Ähnlich erging es dem Kreis Aichach, der früher noch oberbayerisch war. Er wurde 1971 aufgeteilt – einen Teil bekam der Landkreis Dachau, der Rest ging an Friedberg.
Der Freistaat sollte durch die Gebietsreform moderner werden und sich effizienter verwalten lassen. Dadurch veränderte sich Bayerns Gesicht. Zum 1. Juli 1972 wurden aus 143 Landkreisen gerade einmal 71. Später wurden auch noch Gemeinden zusammengelegt: Statt mehr als 7000 Kommunen gab es fortan noch etwa 2000. Seitdem gehörte es der Vergangenheit an, dass ein Bürgermeister sein Dorf vom Wohnzimmertisch aus regierte.
Viele Menschen in den betroffenen Kreisen, Städten und Gemeinden protestierten gegen die Reformpläne der Staatsregierung. Sogar vor die Staatskanzlei zogen sie, um ihren Unmut zu bekunden. Schließlich ging es nicht nur um Verwaltung und Straßenbau, sondern auch um Identität. Nach und nach rücke das „vermeintlich Trennende“ immer weiter in den Hintergrund.
Aus dem Innenministerium, das auch für die Kommunen verantwortlich ist, heißt es: Die Gebietsreformen der 1970er-Jahre seien Reformen mit Augenmaß gewesen –nach der Devise: so leistungsstark wie möglich, so groß wie nötig. „Zugunsten der Bürgernähe wurde auf größer dimensionierte Lösungen verzichtet. Jedoch sollten die Landkreise und Gemeinden so leistungsfähig sein, dass sie ihre Aufgaben gut und effizient erfüllen können. Dieser Maßstab ist auch heute noch richtig“, sagt ein Sprecher.
„Unpersönlicher“ sei es geworden in den Gemeinden und Kreisen, als die Gebietsreform vollzogen wurde, sagt Rudolf Neumaier, Geschäftsführer des Landesvereins für Heimatpflege. Zuvor hatte jede Gemeinde ihren eigenen Gemeindeschreiber. „Aber das ist heute gar nicht mehr vorstellbar: Eine Person, die alles abwickelt.“ Heute fahre man ins Rathaus, dort gebe es verschiedene Mitarbeiter. „Es ist praktischer geworden.“ Und: „Bayern ist flotter und moderner geworden.“
Für eingefleischte Nostalgiker ist es seit knapp zehn Jahren wieder möglich, Kfz-Kennzeichen ehemaliger Landkreise aufs Auto zu schrauben. Allein für Bayern sind 78 Altkennzeichen wieder zugelassen – von AIB (Bad Aibling) bis WOR (Wolfratshausen). Zumindest im Kreis Weilheim-Schongau scheint die Zwangsehe aber doch zu einer gemeinsamen Identität geführt zu haben. Nur etwa zehn Prozent der Bürger haben sich die alten SOG-Nummernschilder geholt, berichtet Severin Keller von der Zulassungsstelle. lt/re/dpa