Müller ist unbestritten der häufigste Nachname in Deutschland. Jeder Hundertste heißt so. Dabei müssten die meisten eigentlich auf den Namen Bauer hören. Denn die waren einst eindeutig in der Mehrzahl. Das althochdeutsche buari stand ursprünglich für den „Bewohner, Bebauer, Ansiedler“, setzte sich allerdings mit der Zeit insbesondere in der Ausprägung des mittelneudeutschen buwman in der Bedeutung „Pächter und Bewirtschafter eines Hofes“ für den Feldarbeiter durch.
Der Sinn der Familiennamen war bekanntermaßen, die Leute besser zu unterscheiden. Aber 20 Bewohner mit dem Namen Bauer in einem 30-Seelen-Dorf? Das hätte ja keinen Sinn gemacht!
Mit der Zeit erhielten daher immer mehr Menschen, die Bauern zuallererst, Beinamen. Zum Beispiel nach der Lage ihres Hofes, ihres Aussehens oder einer ihrer charakteristischen Eigenarten. So konnte man sie auseinanderhalten. Dem Bauer wurde, rein namenstechnisch, daher gewissermaßen seine erhebliche Verbreitung zum Verhängnis. Wenn der Name Bauer bereits vergeben war, konnte der nächste Kurz heißen, da er eher klein geraten war. Und der Dritte dann Berger, da er etwas erhöht auf einer Anhöhe oder an einer Steigung zu Hause war. Etwas später gab es auch Namenskombinationen: der Bergbauer, der Donaubauer, der Beckenbauer und so weiter.
Es gab für die Bauern außerdem weitere Begriffe, die eine Abgrenzung und Unterscheidung ermöglichten. Zumeist trug der Hof oder die Flur eine eigene Bezeichnung, die dann auf den Bewohner überging. Etwa der Kinshof(er) oder der Kirchberg(er).
Beim Aigner, dessen Schwerpunkt im Niederbayerischen liegt, den es aber auch zuhauf in Oberbayern gibt, geht es um das Eigentum. Im Gegensatz zum Bewirtschafter eines Lehens, der den überlassenen Grund zwar nutzen durfte, jedoch keine Rechte daran besaß und Abgaben zu leisten hatte, war der Aigner als Bauer mit ererbtem Boden unabhängiger und fiel deshalb auch auf. Es ist ein typisches Motiv, nach dieser Besonderheit benannt zu werden. Noch heute gibt es zahlreiche einzelne Weiler und Gehöfte mit dem Namen Aig(e)n.
Mit dem Maier in seinen gefühlt tausend Schreibvarianten beschäftigen wir uns noch separat. Mit dem Typus Sedlmeier (oder eben Sedlmaier, -mair, -mayer, -mayr, -meir, -meyer oder -mayr) aber schon heute. Denn er war zwar auch „nur“ Pächter und kein Eigentümer – aber eben ohne Frondienste leisten zu müssen. Seine Arbeitskraft war somit ihm selbst vorbehalten – ein gehöriges Pfund zur damaligen Zeit. Der Begriff satel war für den „Sattelhof“ oder im bayerischen „Sedlhof“ begriffsbildend und beschrieb ein bestimmtes Ackermaß, das sich regional unterschied und somit keine feste, genormte Größe darstellte.
Ebenfalls von der Größe der Ländereien rührt der häufigste typisch südbayerische Name her – der Huber. Wie der Hübner und Hümmer (im Fränkischen aus Hubmaier entstanden) gehörten ihm umgerechnet mindestens zehn Fußballfelder. Ursprung ist hier das mittelhochdeutsche huober, das für den Inhaber einer Hufe oder Hube stand. Das war ein Stück Land, bis zu 20 Hektar groß, das mit nur einem Pflug bestellt und von nur einer Familie bearbeitet werden konnte – und diese ernährte.
Namen wie Jauch aber auch der weniger verbreitete Jocher sind rund um Garmisch-Partenkirchen nach dem gleichen Prinzip entstanden. Das althochdeutsche joh stand einst für „Zusammenbinden“. Daher wurde der Teil des Geschirrs, der auf den Nacken zweier verbundener Ochsen auflag, Joch genannt. Daraus formte sich im Alpenraum die Bezeichnung „Jauchert“, die für eine Fläche galt, die zwei dieser Tiere an einem Tag umzupflügen vermochten. 48 Ar sollten das sein. Umgerechnet zwei Drittel eines Fußballplatzes.
Bis in die heutige Zeit überdauert der Begriff. Das Jochbein – ein Verbindungsknochen im Gesicht. Und natürlich das Ehejoch – da hat nur einer die Hosen an und der Partner wenig zu lachen. Jede Verbindung kann auch einen negativen Beigeschmack haben: unter dem Joch eines anderen stehen. Unterwürfigkeit und Einschränkung der Freiheit – so wandelt sich eine Bezeichnung im Lauf der Jahrhunderte.