München – Obwohl schon die Mehrheit der Gymnasiasten ins neunjährige Gymnasium geht, ist es um das neue G9 still geworden. Die ältesten G9 Schüler kommen nach den Sommerferien in die 10. Jahrgangsstufe – in eine Phase, in dem die Stärken des G9 langsam ausgespielt werden sollen. Kultusminister Michael Piazolo (FW) betont, man habe „das Beste aus beiden Welten“ übernommen – aus dem G8 den Ansatz der breiten Allgemeinbildung, aus dem G9 die Möglichkeit, Schwerpunkte zu setzen. Ein Überblick über das neue G9.
Neue Oberstufe
Die Oberstufe beginnt künftig in der 11. Klasse, die eigentliche Qualifikationsphase ist die 12. und 13. Jahrgangsstufe. Neu ist ein Leistungsfach in der Qualifikationsphase. „Die Formel lautet plus 2“, sagt Piazolo. Ein regulär zweistündiges Fach wird dann vierstündig, etwa Geografie, ein dreistündiges Fach wie Biologie fünfstündig. Wie bisher kann ein Schüler maximal 900 Punkte im Abitur erreichen. Ein Leistungsfach zählt in allen vier Halbjahren, maximal sind also 60 Punkte möglich, im Abitur weitere 60. Das P-Seminar, in dem ein Projekt im Vordergrund steht, wird in die 11. Klasse verschoben und zählt nicht mehr zum Abitur. Das W-Seminar mit der Seminararbeit, in dem wissenschaftliches Arbeiten trainiert werden soll, findet in der 12./13. Jahrgangsstufe statt.
Überhol- & Bremsspur
An 45 Gymnasien, zum Beispiel auch in Puchheim, Geretsried oder Traunstein, haben G8-Schüler die Möglichkeit, die Schulzeit auf neun Jahre zu strecken – als „Mittelstufe Plus“. „Das haben im letzten Jahrgang etwa 2650 Schüler gewählt“, sagt Piazolo. „Wir haben das bewusst konzipiert, um die Übergänge zu erleichtern.“ Auch der umgekehrte Weg ist möglich: „G9-Schüler, die schnell sein wollen, haben dauerhaft die Möglichkeit der sogenannten Individuellen Lernzeitverkürzung.“ Das war eine Konzession an die CSU, damit sie dem G9 zustimmt. „Wir haben keine feste Zielgröße, aber ich gehe davon aus, dass es für leistungsstarke Schüler ein attraktives Angebot sein wird“, sagt der Minister.
Die 11. Klasse
„Der besondere Fokus ist auf die Oberstufe gerichtet, die in der 11. Klasse beginnt.“ In der neu konzipierten 11. Klasse sollen Schüler zum Beispiel auch ein Auslandsschuljahr machen können. Diese Jahrgangsstufe bietet sich an, weil die Schüler in dem Alter eine gewisse Selbstständigkeit haben und weil es vor dem Beginn der eigentlichen Oberstufe ist. „Weil sie jetzt mehr Zeit haben, werden auch mehr Schüler diese Auslandsstation wählen“, ist Piazolo überzeugt. Viele Gymnasien haben Partnerschulen im Ausland, auch Stipendien sind möglich. „Ein Auslandsjahr ist eine Bereicherung, aber es ist kein Muss.“ Viele werden es weiterhin erst im Studium machen, er habe es persönlich auch so gehalten mit einem Studienaufenthalt in Lausanne.
Politische Bildung
Bleiben die Schüler in Bayern, dann erwartet sie eine Extra-Portion Politische Bildung. Die Grundzüge des G9 waren in der Zeit der aufkommenden AfD-Wahlerfolge und der Dauerdiskussion um die Flüchtlingskrise entstanden. Die Zahl der wöchentlichen Stunden in Politik und Gesellschaft in Jahrgangsstufe 11 ist mit gerade einmal zwei trotzdem überschaubar. Piazolo verweist aber darauf, dass Politische Bildung „fächerübergreifend“ aufgegriffen wird. In Geografie soll es zum Beispiel um „Dimensionen der Globalisierung im Alltag“ gehen, in Informatik um Chancen und Risiken Künstlicher Intelligenz, in Physik um die Energieversorgung und die „Objektivierung der Energiedebatte“. Neu ist, dass Politik und Gesellschaft auch als Leistungsfach in der Oberstufe gewählt werden kann.
Änderungen beim Abitur
Es bleibt beim Fünf-Fächer-Abitur, drei schriftliche und zwei mündliche Prüfungen. Deutsch und Mathe sind weiter grundsätzlich Pflicht, anstelle der Fremdsprache ist nun das Leistungsfach in der Abiturprüfung zwingend vorgeschrieben. Neu ist die Substitutionsregel: Mathematik kann man im Abitur ersetzen, wenn man in zwei MINT-Fächern, also etwa Physik und Biologie (eines davon als Leistungsfach), die Abiturprüfung absolviert. Deutsch kann man ersetzen, wenn man zwei Fremdsprachen, eine davon als Leistungsfach, in der Abiturprüfung hat.
Personal
„Wir brauchen für das G9 die Größenordnung von 1000 Stellen mehr, weitere Stellen sind für die Oberstufe notwendig. 2025/26 müssen die Lehrer eingestellt sein, wir haben bereits damit begonnen“, versichert Piazolo. 1000 Stellen sind im Haushalt gesperrt.
War das G8 ein Fehler?
„Der Fehler lag bereits bei der Geburt, es wurde überstürzt eingeführt, dadurch war es in der Schulgemeinschaft in der Defensive“, sagt der Minister. „Die Konzeption des G9 ist besser. Es ist von Anfang an im kommunikativen Prozess mit Lehrern, Eltern und Schülern erstellt worden.“ Und er sagt: „Ich bin ein großer Fan des G9.“ DIRK WALTER