Wo steckt das ganze Gastro-Personal?

von Redaktion

Köche und Bedienungen wandern in den Handel ab – Tjad Zeiler ist einer von 216 000 Ex-Mitarbeitern

München – Es geht um Arbeitsbedingungen und Sicherheit, um Anerkennung – und letztlich auch ums Geld. Rund 216 000 Mitarbeiter hat die Gastronomie während der Pandemie allein 2020 verloren. Einer von ihnen ist Tjad Zeiler (29) vom Tegernsee. Der gelernte Hotelfachmann, der zuletzt in der Spitzen-Gastronomie unterwegs war, hat im Verkauf eine neue Aufgabe gefunden.

Seit gut einem Jahr ist Zeiler als Kundenmanager für ein Großhandelsunternehmen tätig. Durch seinen Wechsel verdient er „das Doppelte bei planbarer Arbeit“. Zeiler: „Ein neues Lebensgefühl.“ Auch wenn er nach wie vor viel arbeite, wie er betont. Aber zum ersten Mal könne er bei Familienfesten teilnehmen, ohne dass er „vorher mit Kündigung drohen muss“, oder spontan mal mit seiner Freundin übers Wochenende wegfahren.

Einen Weg zurück in die Spitzengastronomie schließt der 29-Jährige für sich aus. Mit Familie, die er plane, „nicht mehr vorstellbar“.

Während der Corona-Pandemie waren viele Menschen zum Wechsel des Arbeitsplatzes gezwungen – oder haben sich auch freiwillig einen neuen Job gesucht. Verlierer ist einer neuen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zufolge eindeutig das Gastgewerbe.

Der Einzelhandel habe sich als Auffangbecken für in der Corona-Pandemie abgewanderte Beschäftigte vor allem aus dem Gastgewerbe erwiesen. Fast 35 000 der aus der Gastronomie abgewanderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten im Verkauf einen neuen Job gefunden, etwa als Kassiererinnen (siehe Grafik). Was zunächst in vielen Fällen als vorübergehende Lösung gedacht gewesen sein möge, habe sich in vielen Fällen als Dauervariante etabliert.

„In keinem anderen Berufsbereich fällt der Rückgang so stark aus, weder absolut noch prozentual“, analysieren die Autorinnen der Studie über die Gastronomie.

Selbst Vorzeigebetriebe müssten inzwischen schließen oder zusätzliche Ruhetage einlegen, sagt Thomas Geppert, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in Bayern. Hotels könnten aus Personalmangel ihre Zimmer nicht mehr voll auslasten.

Die Gastronomie brauche sechs Mal mehr Personal als etwa der Einzelhandel, um denselben Umsatz zu erzielen, rechnet Geppert vor. Dass eine solche personalintensive Branche in der Pandemie besonders leide, sei nicht verwunderlich.

Die Gastronomie sucht unterdessen händeringend nach Personal und beschreitet manchmal ungewöhnliche Wege, um neues Personal zu rekrutieren: „Ich lad’ dich ein auf zehn Halbe Bier bei mir im Biergarten. Was du dafür tun musst? Ich brauche dringend Hilfe in der Küche, an der Spüle, beim Saubermachen und Servieren“, schrieb der Schäferwirt-Betreiber Stephan Kögl jüngst auf Facebook. Auch bei dem Schwabbrucker Familienbetrieb ist die Zahl der Mitarbeiter infolge der Pandemie geschrumpft. Derzeit arbeitet der Wirt aus dem Landkreis Weilheim mit vielen Mini-Jobbern, um seinen Betrieb aufrechtzuerhalten.

Ganz anders sieht die Situation in der Schlosswirtschaft in Mariabrunn im Landkreis Dachau aus. Dort kann sich Geschäftsführer Manfred Valentin sogar den Luxus erlauben, Aushilfspersonal auch mal weiterzuschicken: „Wir sind gut sehr aufgestellt.“ Derzeit beschäftigen er und sein Kompagnon Robert Matthes 14 Festangestellte sowie mehrere Aushilfen. Insgesamt sind es um die 40 Mitarbeiter, die in der Schlosswirtschaft arbeiten. Valentin betont, dass er „ganz normale Gehälter bezahlt“. Aber er habe „stets ein offenes Ohr“ für seine Mitarbeiter und pflege ein „freundschaftliches Miteinander“. Weil die Belegschaft so gut aufgestellt sei, könnten seine Mitarbeiter auch mal am Wochenende freinehmen. Selbst in der Hochsaison. STEPHANIE EBNER

Artikel 5 von 11