Mut beweisen: Das fordert Historikerin Heike Görtemaker. Ihrer Auffassung nach sollte Hitlers ehemaliger Berghof künftig in die Bildungsarbeit der Dokumentation Obersalzberg einbezogen werden.
Noch dieses Jahr soll der Erweiterungsbau der Dokumentation Obersalzberg eröffnet werden. Wie wichtig ist so eine Einrichtung für die Nachwelt?
Der Obersalzberg war eine Machtzentrale des Dritten Reiches, ein Täterort. Bis heute zieht er hunderttausende Besucher aus aller Welt an. Vor allen wichtigen Entscheidungen zog sich Hitler hierher zurück und entwarf entscheidende politische und militärische Pläne – immer umgeben von seinem persönlichen Stab und seinem engsten sozialen Zirkel. Auch während des Zweiten Weltkrieges hielt sich Hitler über Monate dort auf. Dies alles bedarf der Erläuterung und Erklärung. Der Erweiterungsbau der Dokumentation Obersalzberg ist somit wichtig und notwendig.
In Ihrem Buch „Hitlers Hofstaat“ beschreiben Sie Hitlers Umfeld, einen loyalen Kreis treu Ergebener. Wen würden Sie dem inneren Kreis zuordnen?
Hitlers Freunde und Gönner machten ihn erst zu dem, was er nach 1933 wurde: ein mächtiger Diktator. Sein Umfeld stattete ihn mit Autos, Kleidung und vorzeigbaren Wohnungen aus. Mit seinem Aufstieg zum Diktator veränderten sich diese Verhältnisse: Er umgab sich ab diesem Zeitpunkt vorwiegend mit Anhängern, denen nicht er etwas schuldete, sondern die ihm ihre Karriere verdankten. Zu diesem „Hofstaat“, der an Wochenenden, Feiertagen, während der Urlaube im Sommer auf dem Obersalzberg zusammentraf, gehörten vor allem Albert und Margarete Speer, Karl und Anni Brandt, Theodor und Hanni Morell, Nicolaus und Maria von Below, Martin und Gerda Bormann, Heinrich Hoffmann, Eva Braun, deren Schwester Margarete und ihre Freundin Herta Schneider, aber auch Joseph und Magda Goebbels.
Hatte sein Umfeld Einfluss auf Hitler und seine Entscheidungen?
Bis heute ist weitgehend unklar, was während der halb privaten, halb dienstlichen Zusammenkünfte auf dem Obersalzberg tatsächlich besprochen wurde. Es kann nur spekuliert werden, auf welche Weise Speer, Brandt, Morell oder Hoffmann ihre Erfahrungen und Wünsche an ihn herantrugen. Gesprächsaufzeichnungen sind vom Berghof nicht überliefert. Die Mitglieder der Berghof-Gesellschaft vermittelten nach Kriegsende den Eindruck, als seien sie unbeteiligte Zuschauer gewesen. Tatsächlich aber wussten sie nicht nur von der Entrechtung und Verfolgung jüdischer Mitbürger, sondern waren – wie Speer, Brandt, Goebbels oder auch der persönliche Adjutant Julius Schaub – persönlich daran beteiligt.
Wie sollte man mit dem ehemaligen Berghof-Areal umgehen?
Auf dem von Bäumen überwachsenen Areal des ehemaligen Berghofes finden sich immer wieder Interessierte ein, die nach Antworten suchen. Ich denke, man sollte deshalb den Mut haben, diesen Standort in die Bildungsarbeit künftig mit einzubeziehen. Das Interview führte Kilian Pfeiffer