Starnberg – Wo Michael Hutter in der Nacht von 29. auf 30. Juni 2021 war, weiß er heute noch genau. Der 29-jährige Gewitterjäger staunte damals wieder einmal über die Naturgewalt. „Eine Superzelle zog von Landsberg bis hinunter an den Starnberger See. Nahe Wolfratshausen habe ich das Gewitter beobachtet“, erzählt er. „Dann hat es gehagelt – die Körner waren sieben Zentimeter groß.“ Hutter hat damals spektakuläre Bilder gemacht. Deshalb erinnert er sich heute noch so gut an diesen Tag. Und nun gilt er auch ganz offiziell als blitzreichster Tag.
2021 stieg die Zahl an Blitzen um knapp ein Viertel auf rund 491 000 – und jeder elfte davon schlug am 29. Juni ein. Diese Daten liefert der aktuelle Siemens Blitz-Altas. Er belegt auch, dass in Bayern zahlreiche Blitz-Hotspots liegen. Nirgendwo in Deutschland schlug der Blitz so oft ein wie im Landkreis Starnberg – 7,6 Mal pro Quadratkilometer. Danach folgen mit deutlichem Abstand die Stadt Augsburg und der baden-württembergische Bodenseekreis (beide 5,9), die Stadt Kaufbeuren und der Kreis Weilheim-Schongau (beide 5,7). Auf Länderebene hat es Bayern trotzdem nur auf den zweiten Platz geschafft. Baden-Württemberg hat mit 2,61 eine höhere Blitz-Dichte. Bayernweit sind es 2,18 – auch deshalb, weil es einige Regionen gab, in denen es kaum geblitzt hatte.
Hutter ist nicht überrascht, dass Starnberg Spitzenreiter ist. „Der See hat keinen großen Einfluss auf die Gewitterbildung“, erklärt er. Aber der Ammer- und Starnberger See liegen auf einer Ebene, über die Gewitter sehr häufig ziehen. „Geografisch gesehen ist die Region eine Zugbahn: Feuchtlabile Luftmassen kommen aus Frankreich oder dem Mittelmeer über die Alpen in das Allgäu und ziehen entweder über den Nordosten nach München oder wieder südöstlich Richtung Alpenland.“ Und 2021 hat die Region eine Menge Superzellen abgekriegt, sagt Hutter. Ihr rotierender Aufwind macht sie so mächtig – und als Sturm so verheerend. „In der Höhe verändert sich der Wind: Am Boden kommt er langsam von Osten, in der Höhe sehr schnell aus Südwesten – wenn man sich das vorstellt, weiß man, wie gewaltig eine Superzelle ist.“
2021 war gegenüber den Vorjahren wieder deutlich niederschlagsreicher – trotz der hohen Temperaturen im Juni, betont Stephan Thern, der Leiter des Blitz-Informationsdienstes von Siemens. „Damit waren die Grundvoraussetzungen für Gewitter – Feuchtigkeit und heiße Temperaturen – vorhanden, um ein doch deutlich blitzintensives Jahr zu registrieren.“ Im Blitz-Hotspot Starnberg gab es insgesamt 43 Gewittertage.
Geht es nach Gewitterjäger Michael Hutter, waren das noch zu wenige. Heuer haben er und seine Crew bereits 5000 Kilometer für spektakuläre Gewitter-Fotos zurückgelegt. Sie waren in Bayern und Baden-Württemberg unterwegs, aber auch in Frankreich und Kroatien. Ohne Auslandseinsätze wäre es fast langweilig geworden, sagt er. „Gerade der Juli könnte einen Negativrekord aufstellen.“ Denn die Luftmassen sind zwar heiß. „Die Hitze ist aber knochentrocken.“ Auch Meteorologen profitieren inzwischen von der Leidenschaft der Blitzjäger. Hutter und seine Kollegen liefern ihnen Bildmaterial und Daten für Gewitteranalysen. „Dadurch lassen sich auch Warnungen für die Bevölkerung korrigieren“, betont er.