Berlin/München – Der Streit um die weitere Finanzierung der zweiten S-Bahn-Stammstrecke scheint beigelegt. Sowohl Bund als auch Freistaat bekennen sich ungeachtet extrem gestiegener Kosten zu
dem Megaprojekt.
Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) hatte fast schon damit kokettiert, dass er nach seiner Amtsübernahme im Februar so lange auf einen Termin bei seinem Amtskollegen im Bund, Volker Wissing (FDP), hatte warten müssen. Gestern aber war es so weit: In der Früh stieg Bernreiter ins Flugzeug nach Berlin, am Vormittag traf er Wissing zum Krisengipfel über die zweite Stammstrecke. Eine Pressekonferenz gab es nicht, auch Pressebilder vermieden die beiden. Dennoch: „Das Gespräch lief in guter Atmosphäre, wir wollen beide nach vorne schauen“, sagte Bernreiter hinterher. Der Bund stehe zur Finanzierung des Projekts – auch wenn es jetzt wohl mindestens 7,2 Milliarden Euro kostet und bis 2037 dauert. „Der Bund hält an den vereinbarten Finanzierungsplänen fest, das gilt ausdrücklich auch für die Mehrkosten“, betonte Bernreiter. Auch das „Tragfähigkeitsprinzip gelte“. Das heißt: Auch wenn der sogenannte Nutzen-Kosten-Faktor nach einer Neuberechnung unter 1 sinkt, wird der Bund weiter mitzahlen. Normalerweise würde es das Aus für das Projekt bedeuten.
Weitere Informationen, wie es zu der immensen Kostensteigerung kommen konnte, gab es gestern nicht. Wissing unterstrich – so Bernreiter – dass die Bahn „die Kosten- und Zeitpläne“ zu verantworten hat. Die Zusammenarbeit mit dem Staatsunternehmen gestaltet sich seit Jahren schwierig. Unserer Zeitung liegt ein Schreiben des damaligen Bahn-Infrastrukturvorstands Ronald Pofalla vom 13. Oktober 2020 vor. Die Staatsregierung hatte bei der Bahn angefragt und Auskunft über die Kostenentwicklung verlangt – schon damals stand ein deutlicher Preissprung im Raum. Pofallas Antwort fiel extrem schwurbelig aus: Es brauche „weiterer, intensiver Anstrengungen, um einen Stand zu erreichen, der verlässliche Aussagen ermöglicht“. Und damit nicht bald erneut nachgefragt werde, stellte Pofalla noch klar: „Diese Arbeiten werden noch längere Zeit in Anspruch nehmen.“ Mit „Arbeiten“ war vermutlich eine konkrete Termin- und Kostenplanung gemeint.
Eine neuralgische Stelle ist nun die U9, deren Bau unklar ist. Bund und Freistaat forderten die Stadt München gestern auf, mit der Bahn die Finanzierung der U9-Haltestelle am Hauptbahnhof zu klären. Erst wenn die U9 gebaut werde, komme eine Förderung durch Bund und eventuell Freistaat in Betracht. D. WALTER/M. SCHIER