Freising – Sie sind Pioniere: Eine Gruppe von Freisingern hat eine Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge entwickelt, die von den Bewohnern einer ganzen Reihenhaussiedlung genutzt werden kann. Ihr Modell, das sich in der Praxis bereits bewährt hat, könnte Vorbildcharakter für ganz Deutschland haben. „Wir hätten uns gewünscht, dass es bereits ein erfolgreiches Vorbild gegeben hätte, an dem wir uns hätten orientieren können“, sagt Katharina Frenzer-Welle von der Projektgruppe. „So aber mussten wir Neuland betreten und uns das Know-how selbst erarbeiten.“
Geholfen hat das neue Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz, das Ende 2020 in Kraft trat. „Damit besteht erstmals ein rechtlicher Anspruch auf die Errichtung einer Lademöglichkeit, den Miteigentümer und Mieter gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend machen können“, erklärt Nikolaus Peller von der Projektgruppe. „Somit geht es nicht mehr um das Ob, sondern allein um das Wie.“
Über zwei große Fragen haben sich die Vordenker aus Freising monatelang den Kopf zerbrochen: Wie lässt sich ein System mit Ladepunkten (Wallboxen) für 46 Garagenstellplätze und 21 Carports technisch umsetzen, ohne zu sehr in den Bestand einzugreifen? Und wie soll die Infrastruktur finanziert werden? Denn oft genug scheitern derartige Bestrebungen in Wohnungseigentümergemeinschaften am Votum derer, die kein E-Fahrzeug besitzen und daher auch nicht zur Kasse gebeten werden wollen. Die Projektgruppe führt unzählige Gespräche – mit Politikern, Elektro-Fachfirmen und Stromanbietern. Der Aufwand, den die fünf betreiben, ist groß – aber er lohnt sich. In einer Eigentümerversammlung wird das von ihnen entwickelte Konzept mit bahnbrechender Mehrheit angenommen. Frenzer-Welle nennt zwei Gründe dafür: „Erstens müssen nur die mitzahlen, die die Ladestation tatsächlich nutzen. Und zweitens ist die Infrastruktur ausbaufähig.“ Jeder Wohnungseigentümer kann sich zu einem späteren Zeitpunkt an seinem Carport oder in seiner Garage eine Wallbox installieren lassen und wird dann anteilig an den Kosten der Grundinfrastruktur beteiligt.
Es ist eine Investition in die Zukunft: Rund 2000 Euro muss jeder für seine Wallbox aufbringen. Die Infrastruktur hat 10 000 Euro gekostet. Je mehr sich anschließen, desto günstiger wird es für alle Beteiligten. Ein weiterer Clou: Für den benötigten Strom kann die Wohnungseigentümergemeinschaft auf einen bereits bestehenden Anschluss zurückgreifen, der neben den Garagen-Toren auch die Laternen am Laufen hält. „Indem wir die Straßenbeleuchtung auf LED umgestellt haben, konnten wir den Stromverbrauch um 80 Prozent drosseln“, erklärt der Technik-Fachmann im Team, Dirk Hoops. Kapazitäten, die nun über einen separaten Zähler für die Ladeinfrastruktur zur Verfügung stehen. Der Strom fließt vom Anschlusskasten über einen an der Garagen-Außenwand angebrachten Kabelkanal und Stromschienen zu den einzelnen Ladepunkten.
Seit einem halben Jahr sind die ersten acht Wallboxen in Betrieb. Eine persönliche Chipkarte zeichnet den individuellen Stromverbrauch auf und sorgt dank eines Codes auch dafür, dass kein Unbefugter zugreifen kann. Und siehe da: Der Erfolg zeigt Wirkung. Zwei weitere Wohnungseigentümer haben schon einen Ladepunkt installiert. Kein Problem, sagt Hoops. Denn derzeit werden noch unter zehn Prozent der möglichen Kapazitäten genützt. „Wir glauben, dass unser Konzept für weitere Eigentümer-Vereinigungen interessant sein könnte, und stehen als Ansprechpartner gerne zur Verfügung“, sagt der E-Experte.