„Komm, Loki, komm“, lockt Tanja Hertel ihren Ziegenbock und hält ihm frisches Gras vor die Nase. Er macht seinem Namen manchmal alle Ehre: Wenn er nicht mag, bockt er. Loki und Tanja Hertel sind gemeinsam in ein großes Abenteuer gestartet. Vier Wochen lang wandern sie einmal quer durch Bayern, um Spenden zu sammeln für „Ärzte ohne Grenzen“. Die 50-Jährige aus Dorfen im Kreis Erding leitet die Kinderinsel. Dort lernte sie Kinder einer Flüchtlingsfamilie aus Afrika kennen. „Dabei ist mir klar geworden, in welch behüteter Welt wir leben“, sagt sie. „Wir hatten einfach das Glück, am richtigen Ort geboren zu sein.“ So entstand ihre Idee für die Wanderung. Ursprünglich wollte Hertel von den Bergen zum Meer laufen, 1000 Kilometer quer durch Deutschland. Doch aus beruflichen Gründen musste sie ihren Urlaub auf vier Wochen verkürzen. Deshalb ist ihr Ziel nun Neustadt an der Donau.
Drei Wochen lang trainierte die 50-Jährige mit dem knapp sechs Monate alten Ziegenbock, um Kondition aufzubauen. In ihrem Rucksack befindet sich nur das Nötigste: Wäsche, ein bisschen Kleidung zum Wechseln, Blasenpflaster, Notfall-Kit, Zahnbürste und Sonnencreme. Außerdem eine Isomatte und ein Ein-Mann-Zelt. „Und ganz wichtig: Rei in der Tube, um Kleidung notfalls unterwegs zu waschen.“ Sie hofft, auch mal auf einem Campingplatz oder einem Hof unterzukommen.
Los ging ihre Tour Anfang August an einem Bauernhof in Zeil im Kreis Mühldorf. Dort lebt Ziegenbock Loki. Tanja Hertel mochte Ziegen schon immer. „Es sind so kluge Tiere.“ Deshalb hat sie sich für eine Ziege als Wanderbegleitung entschieden. Also fragte sie Lokis Besitzer an – und die waren von der Idee sofort begeistert.
Den Weg hat sie per Wander-App geplant. Auf Tagesziele verzichtet sie aber. „Wenn Loki nicht mag, geht gar nichts mehr“, sagt sie. „Erst recht nicht, wenn ich Stress aufbaue.“ Schon nach wenigen Tagen kann sie von schönen Begegnungen berichten. „Die Leute bleiben mit ihrem Auto kurz stehen oder laufen ein bisschen mit“, berichtet sie. Und wenn sie von dem Zweck der Wanderung erfahren, stecken sie ihr Spenden zu. „Das hätte ich nie für möglich gehalten.“ Loki und sie sind überall eine Attraktion. Schon der erste Tag war die größte Motivation. Sie wurden mit Konfetti am Campingplatz empfangen. „Die Leute dort hatten in der Zeitung von uns gelesen und haben uns schon erwartet“, erzählt sie. Die Übernachtung war kostenlos. Abends steckte ihr ein Bub sogar einen Euro zu. „Er wollte sein Taschengeld spenden“, erzählt Hertel. Sie war gerührt. ALEXANDRA ANDERKA