Dürnbach – Maria Bachhuber geht langsam durch den Gymnastiksaal der Volkshochschule Dürnbach im Landkreis Miesbach. Ihrem Blick kommt niemand aus. Sie beugt sich zu einer Frau hinunter, die auf der Gymnastikmatte liegt und versucht, ihr durchgestrecktes Bein wie einen Teleskopstock zu verlängern, um den Hüftbeuger zu lösen. Zehn Mal. Nächste Seite. Dann endlich, Erlösung. Bewegungslos liegen 20 Arme und Beine am Boden. Das Thermometer zeigt an diesem Sommervormittag 34 Grad. „Jetzt dürft ihr nachspüren“, sagt Bachhuber. Mindestens genauso wichtig wie die Übung selbst.
Den Rückbildungs-Termin bei Maria Bachhuber haben ihre Teilnehmerinnen rot im Kalender stehen. Jede schaut, dass der Babysitter Zeit hat. Jede ist froh, einen Platz ergattert zu haben. Denn die Listen für ihre Rückbildungskurse sind immer voll. „Man muss schnell sein“, sagt die 55-jährige Physiotherapeutin. Unter den Frauen im Tegernseer Tal, die gerade Mutter wurden, ist Maria Bachhuber sehr begehrt. Wenn es darum geht, wieder fit zu werden, um auf den Berg, die Skipiste oder aufs Radl steigen zu können. Manche nennen sie sogar die Beckenboden-Queen vom Oberland.
Dabei hatte Bachhuber nie im Sinn, Rückbildungskurse zu geben. Nach ihrem Abitur in Passau lernte die gebürtige Niederbayerin erst einmal Pharmazeutisch Technische Assistentin. Für medizinische Themen, den Menschen und seinen Körper interessierte sie sich schon immer. Sie wollte aber tiefer gehen. Mit 25 Jahren absolvierte sie die Ausbildung zur Physiotherapeutin und bildete sich in zahlreichen Fortbildungen weiter. Für ihr praktisches Anerkennungsjahr zog sie nach Bad Heilbrunn im Landkreis Bad Tölz. „Ich hatte schon immer eine irre Sehnsucht nach den Bergen.“ Danach brach sie alle Zelte in Niederbayern ab und blieb im Oberland. Die beste Entscheidung ihres Lebens, sagt sie heute.
Nun lebt sie am Tegernsee. Ihre Kinder Hannah (24) und Louis (22) sind bereits erwachsen. Im Tal lernte sie auch Dorit Gutenberg kennen, die jahrzehntelang Beckenbodenschulungen in der Volkshochschule in Gmund anbot. „Sie sagte immer, dass ich ihre Nachfolgerin werden soll“, erinnert sich Bachhuber. „Ich bin ihr bis heute dankbar für diese Weichenstellung in meinem Leben.“
Sie selbst besuchte damals den Kurs, um nach der Geburt ihrer Tochter etwas für sich zu tun. Sie merkte, wie wichtig das Thema Rückbildung ist und wie stiefmütterlich es behandelt, ja sogar belächelt wird. Sie bildete sich weiter – bis zum faszialen Beckenbodentrainer. „Wissbegierig war ich schon immer“, sagt sie. Mittlerweile hat sie ihre eigene Methode entwickelt. „Mit einer Erfolgsquote von quasi 100 Prozent.“ Bald möchte sie ein Buch darüber schreiben. Bevor frisch entbundene Mütter sich an gängige Übungen wie Sit-ups oder Chrunches machen, ist es wichtig, die Tiefenmuskulatur zu stärken, betont sie. Sonst kann es zu Senkungen kommen. Vernachlässigt man die Rückbildung komplett, können Fehlstellungen entstehen, die die Bandscheiben und Gelenke schädigen. Aber auch Inkontinenz und Senkungen von Organen sind keine Seltenheit. Es sind feinmuskuläre Übungen, die nicht spektakulär aussehen. „Macht man sie richtig, sind sie aber sehr anstrengend.“ Vor allem sollen sie im Alltag integrierbar sein. Beim Abspülen, Kinderwagenschieben oder im Sandkasten üben die Frauen. Sie schlüpfen in eine imaginäre Jeans und spannen dabei die tiefen, queren Bauchmuskeln an. Beim Zähneputzen machen sie den Pinguin, bewegen die Fersen aneinander und stellen sich auf die Zehen. Beim Warten an der Supermarktkasse hören sie Maria Bachhubers Stimme und korrigieren ihre Haltung. Diese Vereinbarkeit mit dem Alltag ist ihr wichtig. „Ich bin ja selbst Mutter und weiß, wie das ist.“
Maria Bachhuber arbeitet mit Bildern. Sie benutzt Metaphern, um die Übungen anschaulicher zu machen. Erfindet Geschichten und Eselsbrücken und schickt den Teilnehmerinnen Bilder und Sprachnachrichten, damit sie sich zu Hause an die Übungen erinnern können. Aber auch mithilfe einer Playlist, die sie im Kurs immer wieder abspielt, kommen die Mütter daheim besser ins Training hinein. Maria Bachhuber erklärt genau, was die Bewegungen bewirken. Sie ordnen Faszien, kräftigen Muskeln, heben Organe, schrauben Gefäße frei, machen Nerven gleitfähiger. „Ich möchte, dass die Frauen das spüren und verstehen.“
Bei manchen reichen einige Stunden. Andere besuchen nach der Rückbildung einen der Aufbaukurse. Die innere Stimme wird dabei immer lauter. Sie hat Frauen, die seit 20 Jahren immer wieder einen Kurs bei ihr buchen. Ziel ist es nicht, dass der Körper so ist wie vor der Geburt, betont sie. „Er sollte noch besser sein.“ Die Frauen sollen wieder ein Gespür für ihren Körper und den Beckenboden bekommen. „Sie können lernen, mit ihm umzugehen.“ Das wirkt sich nicht nur positiv auf die Statik aus, sondern auch aufs Sexualleben. Eine ihrer Mütter ist ihr bis heute dankbar. „Sie sagt mir immer, ich habe ihre Ehe gerettet.“ Nach ihrem ersten Kurs bei der Beckenbodenqueen bekam sie noch drei weitere Kinder.