Ebbe im Heizöl-Tank

von Redaktion

VON ARMIN RÖSL UND CORNELIA SCHRAMM

Bad Tölz – Heizöl ist das neue Klopapier. Das vermutet Elfriede März, Inhaberin des Mineralölhandels März in Bad Tölz. „Nach Sonnenblumenöl wird jetzt wohl Heizöl gebunkert“, sagt die 57-Jährige. „Das sind alles Produkte, die jeder braucht – aber doch nicht in riesigen Vorräten. Hamsterkäufe sorgen für Probleme.“

Schon seit Wochen trudeln Bestellungen en masse bei März ein. „Die Leute hören von Politikern, dass Gas knapp wird – aus Angst, im Winter ohne Energie dazustehen, bestellen jetzt auch Heizöl-Kunden immer wieder nach“, sagt sie. „Wegen der hohen Nachfrage mussten wir den Verkauf heuer schon drei Mal einstellen.“ Jedes Mal standen die sechs Tanklaster zwei Tage still. Jedes Mal konnte März keine Bestellungen annehmen. Das Telefon klingelte weiter. Die Kunden wollten ordern, viel und sofort – es gab kein Öl mehr im Großhandel.

Trotzdem: „Kunden können beruhigt sein. Es gibt keinen Mangel an Heizöl“, sagt Alexander Vorbau, Sprecher des Bundesverbandes mittelständischer Mineralölunternehmen. Nur die Nachfrage ist derzeit überdurchschnittlich hoch: „Die Kunden bevorraten sich offenkundig für den nächsten Winter.“ Nicht nur Privat-Kunden, vor allem die Industrie bestelle besonders große Mengen Heizöl. „Viele Unternehmen, die bisher mit Erdgas Wärme und Strom erzeugt haben, versuchen jetzt auf Heizöl umzusteigen“, erklärt Vorbau. Davon berichtet auch Elfriede März: „Viele Betriebe aus der Chemie- und Lebensmittelbranche rüsten um oder reaktivieren alte Tanks als Vorsorge für den Ernstfall.“

Die extreme Nachfrage bringt Heizöl-Lieferanten, oft mittelständische Familienbetriebe, und den Großhandel in Bedrängnis. „Für uns ist es momentan schwer, Heizöl zu bestellen“, sagt März. Ihre Laster holen das Öl eigentlich in den Großlagern in Feldkirchen, München und Krailling (Kreis Starnberg) ab, deponieren es in eigenen Tanks oder fahren direkt zum Kunden. Das Angebot für die Lieferanten in der Region ist derzeit aber eingeschränkt: Das Lager in Feldkirchen hat geschlossen. Alle weichen auf die übrigen Lager aus. „Wegen der starken Nachfrage sind deren Depots oft leer. Wir müssen jeden Tag anrufen und fragen, ob und wie viel wir bestellen können“, sagt März. Mit einer Wartezeit von bis zu sechs Wochen müssen Kunden rechnen.

Auch Richard Kinshofer, Heizöl-Lieferant aus Poing (Kreis Ebersberg), und Grit Ott von Heizöl Ott in Maisach (Kreis Fürstenfeldbruck) berichten von Panik-Käufen: Einige Kunden, die erst vor wenigen Monaten volltanken haben lassen, wollen jetzt die noch fast vollen Tanks schon wieder bis zum Rand füllen.

Kinshofer holt sein Heizöl eigentlich auch in Feldkirchen, muss zurzeit aber die längere Fahrt nach Krailling in Kauf nehmen. „Manche müssen immer weiter fahren, um Öl zu bekommen. Etwa nach Karlsruhe, einige bis nach Venedig“, sagt er. Dass das Lager in Feldkirchen geschlossen hat, könne mit dem Raffinerieunfall im österreichischen Schwechat zusammenhängen, vermutet Alexander Vorbau. „In Tschechien ist ebenfalls eine Raffinerie ausgefallen und in der in Vohburg an der Donau hat der Blitz eingeschlagen“, berichtet Grit Ott. Daher fahren Otts Lastwagen jetzt nach Augsburg: „Dort bekommen wir zuverlässig Öl – auch, wenn es rationiert ist.“

Eine Krise wie jetzt haben Bayerns Öl-Lieferanten noch nicht erlebt. „Öl wird per Bahn und auf Flüssen per Schiff transportiert“, sagt März. „Also spielen beim Engpass auch der Personalmangel und die Trockenheit eine Rolle.“ Pandemie und Krieg verunsichern die Menschen zudem. „Trotzdem: Ich glaube, dass wir nächstes Jahr weniger Arbeit haben“, sagt März. „Da haben dann ja alle noch immer genug Heizöl im Keller.“

Lange Wartezeiten im Öl-Großhandel

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