NATALIAS NEUANFANG

„I mog Minga“

von Redaktion

Diese Woche war denkwürdig, tragisch und mühsam zugleich. Am Mittwoch feierte die Ukraine ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Genau ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn. Alle hatten Angst, dass an einem so wichtigen Tag für die Ukrainer mit vielen Provokationen und Beschuss zu rechnen sei. Zum Glück ist es glimpflich ausgegangen. Die Ukrainer wollen ihre Kultur, ihre Sprache, ihren Wunsch, Teil der westeuropäischen Welt zu sein, bewahren.

Diese Woche traf ich in meinem Lieblingscafé im Westpark eine erstaunliche Frau namens Elisabeth. Sie wurde in München geboren, ihre Muttersprache ist sozusagen Bairisch. Ich als ausgebildete Philologin habe seit den ersten Tagen meines Aufenthaltes in München ein besonderes Interesse an der bairischen Sprache. Die Sprache und Kultur ist für mich der Schlüssel zum Verständnis der Seele der Menschen in Bayern. Die ersten Worte auf Bairisch hörte ich von einem Freund aus Rosenheim, der mich von der Grenze abholte. Dank ihm lernte ich das wichtigste Wort: Oachkatzelschwoaf. Sowie die Grußwörter Griaß Gott, Servus, Pfiat di und Habedere. Wenn man sich an den Tisch setzt, muss man „Hock di her da, dann samma mehra sagen“, um die anderen einzuladen. In der ersten Familie, bei der ich zeitweise lebte, erfuhr ich, dass man in den meisten Teilen Deutschlands Brötchen, in Bayern aber Semmeln isst. Von ihnen lernte ich auch die schöne bayerische Frauentracht, das Dirndl, kennen. Ich erinnere mich, wie ich mit einem Freund aus Rosenheim nach Neubeuern gefahren bin und bei einer Kindertaufe schöne Frauen im Drindl gesehen habe. Damals dachte ich, dass ich auch ein eigenes Dirndl haben möchte.

Mit der Familie, bei der ich eine Wohnung miete, schauen wir uns gerne die Stücke und Monologe des Situationskomikers Gerhard Polt an. Meine Lieblingsstücke sind „Longline“ und „Toleranz“. Außerdem liebe ich die Lieder „Du Depp“ und „Schickeria“. Ich habe auch ein paar Schimpfwörter gelernt, wie „Schleich di!“ Oder „Grattler“. Ich mag auch die Ausdrücke „Da legst di nieder“ und „Schau ma moi, dann seng mas scho“. Mein persönlicher Favorit ist: „Scheiß da nix, dann feid da nix“ – das wurde mein Credo. Jetzt kann ich von mir erzählen: „I hoasse Natalia. Ich kim aus Odessa und bin do dahoam. I mog Minga.“ Während des Gesprächs mit Elisabeth erklärte sie mir: „Ich sage Grüß Gott und dann gehören die Leute, denen ich häufiger begegne, zu meinem Umfeld.“ Die Sprache ist schon Identität und für Elisabeth ist Bairisch die Seelensprache. „Bayerische Menschen mögen immer gerne ein bisschen Gemütlichkeit. So als ob wir irgendwie ein bisschen zusammengehören“, sagte sie. „I versteh di“ – antworte ich. Für mich ist die bairische Sprache etwas Warmes, Freundliches, Ewiges. Ich hoffe, dass ich Elisabeth mehr als einmal im Park treffen werde.

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