Harte Zeiten für Warmduscher

von Redaktion

VON KATRIN WOITSCH

München – In Erding ist der Entschluss bereits gefallen: In allen städtischen Sporthallen kann künftig nur noch kalt geduscht werden. Einzige Ausnahme: das Eisstadion. Das ist an das Wärmenetz des benachbarten Schwimmbads gekoppelt. Für alle anderen Sportler heißt es künftig frieren unter der Dusche. Die Entscheidung wird durchaus kritisch gesehen. Einzelne Stadträte hätten es lieber gesehen, wenn Jugendliche nach dem Schulsport noch warm duschen könnten. Andere argumentierten, zu Beginn der Pandemie war Duschen nach dem Sport erst mal auch nicht erlaubt – und die Sportler hätten es akzeptiert.

So gut wie alle bayerischen Kommunen suchen gerade Wege, um angesichts der hohen Energiekosten zu sparen. Doch was die Kalt-Duschen-Frage angeht, ist Erding vielen anderen einen Schritt voraus. In Ebersberg zum Beispiel hat sich der Stadtrat dagegen entschieden, den Sportlern das warme Wasser abzudrehen. Er fürchtet, dass es dadurch ein Legionellenproblem geben könnte und die Stadt für viel Geld die Leitungen reinigen muss. Auch Geretsried will warme Duschen nicht verbieten. „Es hätte nur einen Verlagerungseffekt“, sagt Rathaussprecher Thomas Loibl. Die Menschen würden dann einfach zu Hause duschen.

Die Frage beschäftigt natürlich auch Bayerns Sportvereine. Viele versuchen gerade mit Hinweisschildern, an ihre Mitglieder zu appellieren, berichtet Thomas Kern, Geschäftsführer des Landessportverbands. Andere denken darüber nach, Stopper einzubauen, sodass sich die Duschen nach einer kurzen Zeit von selbst abstellen. „Es gibt einige Mitglieder, die sich über die Bitte, kurz und kalt zu duschen, ärgern“, berichtet Kern. Letztendlich müssten die Vereine aber versuchen, Energiekosten einzusparen. Auch behutsame Erhöhungen der Mitgliedsbeiträge kann Kern nicht ausschließen. „Priorität ist, dass die Sportstätten nicht wieder schließen müssen“, betont er.

Laut Studien duschen 66 Prozent der Deutschen täglich – und 80 Prozent davon gerne warm und im Schnitt elf Minuten lang. Nicht nur aus Energiespargründen ist das bedenklich – sondern auch aus dermatologischer Sicht. Denn beim Duschen entfernt man nicht nur Schmutz und Schweißpartikel von der Haut. Auch der natürliche Fettsäureschutzmantel wird durch tägliche Duschen langfristig zerstört, er schützt die Haut vor Feuchtigkeitsverlust und Krankheitserregern.

Ein Problem, mit dem unsere Vorfahren selten zu kämpfen hatten. Denn das häufige Duschen ist eine Gewohnheit der Neuzeit, erklärt die Volkskundlerin Daniela Sandtner vom Landesverein für Heimatpflege. „Das Duschen kam um die Jahrhundertwende erst mit dem Soldatenwesen in den Kasernen auf.“ Zuvor badeten die Menschen eher in Fließgewässern oder zu Hause im Bottich. Und mit dem Ausbruch der Pest im 14. Jahrhundert eigentlich erst mal kaum noch. „Damals gab es die verquere Vorstellung, man könne über die Poren Krankheitserreger aufnehmen – deshalb sollten sich die Menschen nicht mehr waschen“, berichtet Sandtner. Diese Gewohnheit änderte sich erst mit der Aufklärung und der Akademisierung der Medizin.

Das tägliche Duschen wurde erst in den letzten Jahrzehnten immer beliebter. Vielleicht auch durch die vermehrte Büroarbeit, vermutet Sandtner. Auffällig war, dass während der Pandemiezeit viele ihr Duschverhalten deutlich reduziert haben, sagt sie. Weil man nicht mehr so häufig aus dem Haus gegangen ist. Zwei Jahre reichen allerdings nicht, um Routinen dauerhaft zu ändern, glaubt Sandtner. „Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier.“

Aber Modeerscheinungen habe es in der Hygiene-Geschichte immer gegeben, ergänzt sie. Zum Beispiel den Waschlappen. „Das erste Frottee-Stück wurde 1851 auf einer Weltausstellung präsentiert – und hat eingeschlagen wie eine Bombe“, erzählt sie. In den 80ern besaßen viele Familien so viele Waschlappen wie Handtücher. Bis sie immer mehr von der täglichen Dusche verdrängt wurden. In diesem Winter könnten sie ein Comeback feiern. Zumindest einen würde das nicht wundern: Der badenwürttembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat den Waschlappen bereits als „brauchbare Erfindung“ angepriesen. (ham/ac/sw)

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