Ich habe eine Idee für das Wort des Jahres. „Wellenbrecher“ von 2021 ist nichts dagegen. Erst recht nicht die Sieger der Jahre zuvor: „Corona-Pandemie“, „Respektrente“ und „Heißzeit“. Die können nicht konkurrieren. Mein Vorschlag lautet nämlich „Warnung“. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie von so vielen Warnungen gelesen und gehört wie derzeit. Und meine Gedanken zum Wort des Jahres, ich gestehe es lieber gleich, sind nicht ernst gemeint. Sie sind eine Mischung aus Ironie und gewaltigem Zorn.
Computerfirmen warnen vor Sicherheitslücken, Meteorologen stadtteilgenau vor Regen- und Hagelschauern, die niemals kommen. Ökonomen warnen vor harten Jahren. Ein Bundesamt warnt vor digitalen Türschlössern, ein Land, das nicht mehr zu Europa gehört, vor Lebensgefahr in der Gaskrise. Im Nah-verkehr wird vor dem Chaos nach Schlagerkonzerten gewarnt. Politiker und Virologen warnen vor der Wiesn und Kirchenfürsten vor sozialen Spaltungen. Noch Schlimmeres lasse ich hier aus.
Viele dieser Warnungen sind gewiss berechtigt. Aber die Bevölkerung wird allmählich im Stundentakt in Angst und Schrecken versetzt, wozu nicht viel gehört. Anschließend wundert man sich über Zeitgenossen, die quer oder gar nicht denken, solche, die nur noch auf ihr Vergnügen aus sind, bevor es aus ist, oder die vollkommen wurschtig werden. Es ist einfach zu viel. Höchst ärgerlich sind häufig fehlende Lösungsangebote –oder wenigstens konkrete Ideen, die den dräuenden Gefahren entgegengesetzt werden könnten.
Ein permanentes Drohszenario ohne Alternativen macht furchtsam und kraftlos. Außerdem sind die meisten Menschen klug genug, selber zu sehen, was kommen könnte. Niemand braucht in dieser Zeit auch noch menetekelnde Eltern- figuren. Warnungen sind nur konstruktiv, wenn sie wohlbegründet vorgebracht und mit konkreten Vorschlägen kombiniert werden, die eine Perspektive für die Zukunft darstellen. Die kann man durchdenken und mit eigenen Gedanken bereichern.
Man gewinnt an Tatkraft, wenn man erkennt, was zu tun und zu lassen ist. Dazu bräuchte es hier und da eine leidenschaftliche Rede, die sich nicht in düsteren Allerweltsvisionen ergeht. Sondern die klar aufzeigt, was bevorsteht und wie wir uns en detail darauf vorbereiten können. Und natürlich schlage ich „Warnung“ nicht als Wort des Jahres vor. Auch nicht den ermüdenden „Weckruf“. Lieber wäre mir mehr Schwung. Wie wäre es mit „Zuversicht“? Oder „Gemeinsam“? Beides zusammen? Ich habe Lust, für die Zukunft zu kämpfen.