Zurück in die Zukunft

von Redaktion

Walter Heidl zieht es nach zehn Jahren als Bauernpräsident wieder auf seinen Hof

München – Herbstzeit ist Erntezeit bei Landwirten. Für Walter Heidl beginnt nun die persönliche Erntezeit. Keine zwei Monate mehr ist der 62-Jährige an der Spitze des Bayerischen Bauernverbands. Am 21. Oktober stehen vier Kandidaten bereit, seine Nachfolge anzutreten. Wer mit Walter Heidl in diesen Tagen spricht, trifft auf einen Mann, der mit sich im Reinen ist. Von Resignation oder Wehmut keine Spur: 35 Jahre hat er Ämter im Bauernverband bekleidet, zuletzt war er zehn Jahre lang bayerischer Präsident. Der Niederbayer Heidl, Sohn eines aus dem Egerland Vertriebenen, ist keiner, der sein Herz auf der Zunge trägt. Im Juli 2021 sorgte seine Ankündigung, nach zwei Amtsperioden nicht mehr als Bauernpräsident anzutreten, für eine echte Überraschung.

Seine Arbeit zu beurteilen, das liegt ihm nicht, er will es anderen überlassen. Schwierige Zeiten gab es zuhauf. Etwa, als die Grüne Renate Künast Agrarministerin war – damals war Heidl niederbayerischer Bauernpräsident. Und jetzt endet seine BBV-Karriere wieder zur Amtszeit eines grünen Bundes-Landwirtschaftsministers. „Das hab ich mir nicht ausgewählt“, sagt er mit einem gequälten Lächeln. Egal, welcher Minister in der Regierung ist: Man müsse gegenüber allen Parteien kritisch das Wort erheben. Und – diese Herausforderung sei immer größer geworden – einen Schulterschluss mit der Gesellschaft suchen. „Der Weg, Einfluss auf die Politik zu nehmen, geht nur über die Akzeptanz in der Gesellschaft“, hat er gelernt. So hat er auch Bündnisse geschlossen und sich nach dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ auf den Runden Tisch eingelassen.

Letzteres hatte ihm bei einigen Verbandsmitgliedern den Vorwurf eingebracht, zu nachgiebig gegenüber der Regierung gewesen zu sein. Dass er mit „Unsere bayerischen Bauern“ ein Bündnis von 40 Organisationen auf den Weg gebracht hat, sieht er als Erfolg. Die Debatten über Tierwohl, Klimaschutz, Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung oder Pflanzenschutzmittel im Getreideanbau werden immer schärfer geführt. Den Draht zu den Verbrauchern zu finden, wird schwieriger – woran liegt es? „Es hakt daran, dass es viele gibt, die mit einem eigenen Geschäftsmodell gegen uns unterwegs sind.“ Da denkt er an NGOs bis hin zum kirchlichen Hilfswerk Misereor, wo auf Kosten der Bauern um Spenden geworben werde. Ihn wurmt es, wenn Sachlichkeit fehlt.

Heidl ist jemand, der an der Sache orientiert diskutieren will, dessen Fachwissen anerkannt ist. Umso mehr schmerzt es ihn zu beobachten, dass Politik immer mehr ausgerichtet sei auf Ideologien, Umfrageergebnisse oder schnellen Aktionismus. Dass er aber auch die CSU davon nicht ausnimmt, hat er als Bauernpräsident immer wieder gezeigt.

Ordentlich gekracht hatte es zwischen ihm und Agrarministerin Michaela Kaniber, als diese im Mai 2021 in ihrer ersten Regierungserklärung verkündete, dass sie ein rasches Ende der Anbindehaltung durchsetzen wolle. „Da hat es einen Disput gegeben, weil sie unseren Lösungsansatz Kombinationshaltung nicht eingebracht hat“, sagt er. Die Haltungsart, bei der die Kühe an 120 Tagen im Jahr Bewegung haben müssen – im Laufhof oder auf der Weide. Und die als Kompromiss doch bleiben sollte. Vereinfachungen oder Zuspitzungen sind ihm ein Gräuel. Heidl liebt es präzise. Bei der Anbindehaltung ist er deshalb so streng, „weil ich nicht zulasse, dass man den Eindruck erweckt, als würden die Leute, die heute noch mit ganzjähriger Anbindehaltung arbeiten, nicht gut mit ihren Tieren umgehen.“ Wer einen ordentlichen Stall hat und noch einige Jahre damit arbeiten muss und wo kein Hofübernehmer da ist oder wo die Milchviehhaltung ausläuft, „der baut doch jetzt keinen Laufstall für eine Million“. Dass durch eine kleine, lautstarke Gruppe der Eindruck erweckt werde, Fleisch oder die Tierhaltung seien anrüchig, ärgert ihn. „Die sollen sich doch fleischlos ernähren. Damit habe ich gar kein Problem. Ich verstehe bloß nicht, warum sie alle anderen von ihrem Ernährungsstil überzeugen wollen.“ Wenn es zehn Prozent Vegetarier gebe, würden 90 Prozent noch immer Fleisch essen.

35 Jahre Lobbyarbeit für Bayerns Bauern – das kostet Energie und viele Nerven. „Wenn man nicht mehr in jede Schlacht ziehen muss, ist das schon eine Erleichterung“, sagt er. Das Leben nach dem Verband wird er auf seinem Hof in Rahstorf, Gemeinde Simbach, führen. Die Außen-Bewirtschaftung des Hofes mit Mast- und Zuchtschweinen und Ackerbau hatte er in seiner Präsidentenzeit an einen jungen Landwirt übertragen. Den Hof führte seine Frau.

Nun kehrt Heidl zurück auf seinen Hof. Er freut sich darauf, wieder auf dem Traktor über seine Felder zu fahren. Der 35-jährige Sohn, der bei BMW im Forschungs- und Entwicklungszentrum arbeitet, wird mit seiner Frau den Hof übernehmen. Kürzlich ist Heidl zum dritten Mal Großvater geworden. Der kleine Leonhard wächst auf dem Hof auf. Seine Frau hat gesagt, über Jahre sei sie allein auf dem Hof gewesen. Jetzt kommt der Mann zurück, die jungen Leute bauen auf dem Grund und ein neuer Enkel ist da. Was wird für ihn die größte Umstellung sein? „Dass ich das Handy nicht mehr dabei habe und nicht mehr vom Kalender dominiert werde.“ Walter Heidl wird’s genießen, wieder dahoam zu sein. CLAUDIA MÖLLERS

Artikel 10 von 11