Beten und bibbern bei neun Grad

von Redaktion

VON CLAUDIA MÖLLERS

München – In St. Michael in der Münchner Fußgängerzone gab es bislang eine Temperatur-Vorgabe von zwölf Grad für den Winter. Kirchenrektor Pater Martin Stark prüft derzeit, ob man die Temperatur auf neun Grad absenken kann. „Das wird man spüren. Aber wir haben auch noch Sitzheizungen, das sind Röhren unter den Bänken, die kann man zuschalten. Die sind schnell warm zum Gottesdienst.“ Daher denkt Stark, dass es nicht zu schlimm werden wird. „Vor allem glaube ich, dass die Menschen dafür Verständnis haben und es auch gut finden.“ Alle müssten sich im kommenden Winter darauf einstellen, dass es in öffentlichen Gebäuden kühler sein wird. Im Advent will Pater Stark „Roratemessen“ anbieten, das sind Gottesdienste, die nur bei Kerzenschein gefeiert werden – aber nicht aus Energiespargründen, sondern als liturgisches Angebot.

Deutlich mehr evangelische Gemeinden als bisher werden ihre Gottesdienste im Winter in die Gemeindehäuser verlegen, kündigte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm an. „Auch eine kluge Raumplanung wird helfen – wenige geheizte Räume intensiv nutzen, andere ungeheizt lassen.“ Allerdings müsse man bei der „Winterkirche“ abwarten, was die Corona-Situation überhaupt erlaube, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. Bedford-Strohm ergänzte: „In der Kirche ist uns Energiesparen schon seit Jahren wichtig, weil wir den Klimaschutz ernst nehmen.“ Die ökologische Transformation der Kirche werde jetzt noch einmal wichtiger.

In der evangelischen Apostelkirche in Miesbach etwa gibt es noch eine elektrische Heizung – wie es da weitergeht, muss im Kirchenvorstand besprochen werden, sagt Pfarrer Erwin Sergel. Besser aufgestellt ist man mit dem neuen Gemeindehaus, das im Oktober eröffnet wird. Hier wurde eine Pellet-Heizung installiert. Im vergangenen Corona-Advent haben die evangelische und die katholische Kirche zusammen mit der Stadt Miesbach viel Licht und beleuchtete Mutmachsprüche in die Nacht gebracht, um Gemeinschaft zu stiften – „das wird wahrscheinlich wegfallen“.

In der Tegernseer Kirche muss ohnehin die Heizung erneuert werden. Walter Waldschütz, Leiter des Pfarrverbands Tegernsee-Egern-Kreuth, berichtet, dass man mit der Herzoglichen Brauerei eine Lösung entwickelt, ob man die Abwärme des Brauhauses nutzen kann. Insgesamt müsse man in den unterschiedlichen Pfarreien schauen, wie man mit dem Heizen umgehe. Es kämen ja auch viele ältere Menschen, für die Kälte vielleicht problematisch sei – da müsse man überlegen, die Kirchen für die Gottesdienste vielleicht etwas „aufzuwärmen“. Grundsätzlich ist für Waldschütz aber klar: „Wir müssen in vielen Dingen Abstriche machen. Es steht uns als Kirche gut an, hier vorauszugehen.“ Ausweichen in Pfarrzentren ist bei der katholischen Kirche aber keine Option: „Unsere Kirchen zu entleeren, ist keine gute Idee. Besser, wir ziehen uns warm an“, sagt Waldschütz. Er selber nimmt sich vor, seine Gottesdienste zu straffen, wenn es wirklich kalt wird. „Da kann man auch mal kürzer predigen“, schmunzelt er. Statt 50 Minuten Gottesdienstzeit reichten auch 30 bis 40 Minuten.

Wenn er den Blick auf Advent und Weihnachten wirft, hofft Waldschütz, dass nicht schon im Herbst überall die beleuchteten Christbäume stehen. In der Kirche werde man sich auf einen Christbaum in der Kirche beschränken – „wenn die Bevölkerung hier mitmacht, haben wir schon viel gewonnen“. Das Erzbistum erarbeitet derzeit einen Leitfaden zum energieeffizienten Heizen und Lüften. Günstig sei eine Grundtemperierung von sechs bis acht Grad in Gotteshäusern – und eine behutsame Aufheizung auf zehn bis zwölf Grad für die Nutzung.

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