„Ich schäme mich vor den Israelis“

von Redaktion

Christian Springer über seine Erinnerungen ans Olympia-Attentat und die Radl-Gedenkfahrt

Für die Opfer des Olympia-Attentats findet am Sonntag eine Gedenk-Radltour von München nach Fürstenfeldbruck statt. Der Münchner Kabarettist Christian Springer hat sie mitorganisiert. Er berichtet, warum ihm die Fahrt so wichtig ist.

Im Streit um die Entschädigungszahlungen gibt es eine Einigung mit den Opferfamilien. Wäre ohne diese Annäherung ein würdiges Gedenken überhaupt möglich gewesen?

Nein, wenn die Opferfamilien aus gutem Grund nicht gekommen wären, hätte man sich das Gedenken sparen können. Es ärgert mich sehr, dass es diese Einigung erst in letzter Minute gab. Man weiß seit 50 Jahren, wann sich diese Katastrophe zum 50. Mal jährt. Es ist ein politisches Desaster, wenige Tage vor dem Jahrestag noch schnell eine Einigung hinzukritzeln. Ich schäme mich vor den Israelis.

Gibt es zu wenig Solidarität mit den Angehörigen?

Definitiv. Die Solidarität, die ich den Opferfamilien mit vielen Kollegen in einem Youtube-Video, in E-Mails und persönlichen Gesprächen ausgesprochen habe, ist mit Tränen in den Augen und großer Überraschung aufgenommen worden. Sie sagten, aus der Zivilgesellschaft haben sie noch nie Solidarität gehört. Das ist erschreckend. Viele der Angehörigen leiden seit 50 Jahren. Die Forderung nach Geld ist nur die symbolische Speerspitze. Die Familien möchten wissen, was damals passiert ist, warum ihre Angehörigen ums Leben kamen. Es ist völlig klar, dass sie nicht lockerlassen bei ihrer Forderung, die Akten offen zulegen.

Sie waren 1972 sieben Jahre alt. Welche Erinnerungen haben Sie?

Obwohl ich noch ein Kind war, erinnere ich mich gut daran, wie damals die Stimmung war – und wie groß die Betroffenheit. Meine Eltern hatten für Olympia einen Farbfernseher und eine Super-8-Kamera gekauft. Wir sind in den Olympiapark gefahren, um die Völkerschaften dort zu sehen. Meine Mama hat sogar ihr Dirndl angezogen. Es war ein feierlicher Moment. Und dann hat die Katastrophe all das zerstört. Auf die große Freude folgte der Schock. Den hat mein 88-jähriger Vater heute noch.

Sie haben die Gedenkfahrt am Sonntag mitinitiiert. Was ist der Gedanke hinter der Radltour?

Ich finde es wichtig, dass es nicht nur ein stilles, sondern auch ein lebendiges Gedenken gibt. Die Opfer waren schließlich Sportler. Ich bin sicher, es werden auch bei der Gedenkfahrt Tränen fließen.

Für Sie wird die Fahrt auch eine persönliche Herausforderung, Sie haben erst vor ein paar Jahren Fahrradfahren gelernt.

Das glaubt mir keiner, wenn ich erzähle, dass ich nicht gut Fahrradfahren kann. Es war ein lustiger Moment, als die neue israelitische Generalkonsulin und ich für die Organisation zusammensaßen und uns gegenseitig gestehen mussten, dass wir schlechte Radfahrer sind. Ich habe für mich auf der Tour Notausstiege organisiert, falls ich irgendwann zu Fuß weiter muss. Ich hoffe, dass sich uns viele Menschen anschließen.

Haben Sie Hoffnung, dass sich Opferfamilien und Politik durch die Gedenkfeier weiter annähern? Oder lassen sich die Versäumnisse der Vergangenheit nicht mehr bereinigen?

Die Politik hat sich nun freigekauft, ich fürchte damit ist das Kapitel beendet. 1972 haben die deutschen Politiker einfach weitergemacht, es gab keinen einzigen Rücktritt. Ich hoffe darauf, dass die Verantwortlichen endlich sämtliche Akten wenigstens für die Angehörigen offenlegen.

Interview: Katrin Woitsch

Der Treffpunkt

für die Radtour ist am Sonntag um 8.30 Uhr an der U-Bahnstation Olympiapark. Die Ankunft in Fürstenfeldbruck ist um 13 Uhr geplant.

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