„Jeder von uns trägt seinen eigenen Schmerz in sich“

von Redaktion

Gedenkzeremonie mit 70 Angehörigen am Mahnmal im Olympiapark: OB Reiter entschuldigt sich im Namen der Stadt

München – Ilana Romano hat den Ort des Grauens an der Connollystraße in der Vergangenheit dutzende Male besucht. Jenes Gebäude im Olympischen Dorf, wo ihr Ehemann von palästinensischen Terroristen zunächst gefoltert und dann kaltblütig ermordet wurde. Vor den Augen weiterer israelischer Sportler und Betreuer.

Romano hält am Montagvormittag in München stellvertretend für die Hinterbliebenen der Opfer des Olympia-Attentats von 1972 eine bewegende Rede. Ihr Herz schmerze jedes Mal, wenn sie sich vorstelle, was ihr Mann habe erleiden müssen. Und die Witwe des Gewichthebers Yossef Romano fügt an: „Jeder von uns trägt seinen eigenen Schmerz in sich.“ Elf Mitglieder der israelischen Olympiamannschaft sowie der deutsche Polizist Anton Fliegerbauer sind am 5. und 6. September 1972 ums Leben gekommen. Exakt ein halbes Jahrhundert danach kommen etwa 200 Menschen, davon 60 bis 70 Angehörige der Ermordeten, am Mahnmal im Olympiapark zu einer Gedenkzeremonie zusammen. Es gibt ergreifende Szenen. Etwa, als eine Tochter Romanos die Witwe und den Sohn Fliegerbauers herzlich begrüßt. Oder sich die Angehörigen der Opfer immer wieder mit Tränen in den Augen umarmen.

Hinter dem Rednerpult sind die Fotos der zwölf Ermordeten zu sehen, darunter sieben Kränze aufgereiht. OB Dieter Reiter (SPD) entschuldigt sich im Namen der Stadt „beschämt“ bei den Opferfamilien, dass die Verantwortlichen der Sommerspiele 1972 schwere Fehler begangen und nie eine Schuld eingestanden hätten: „Das tut mir leid.“ München trage eine besondere historische Last. Noch heute sei es für viele schwer nachvollziehbar, dass die Spiele nach dem Terroranschlag fortgesetzt wurden. Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) erklärt: „Deutschland hat beim Schutz der israelischen Sportler versagt.“ Den 5. September nennt er einen „der schwärzesten Tage in der Geschichte der Bundesrepublik“.

Ilana Romano bezeichnet das Versagen der Sicherheitsbehörden vor 50 Jahren als „kolossal“. 17 geheimdienstliche Vorwarnungen seien ignoriert worden. „Es war unsere moralische Pflicht, für Gerechtigkeit zu sorgen“, sagt die Sportler-Witwe über den Entschädigungsstreit. „Wir haben den Schrei der Ermordeten ins Bewusstsein der Welt getragen.“

Die Angehörigen hatten mit einem Boykott gedroht, wenn keine Lösung bei der Entschädigung zustande gekommen wäre, weshalb die Zeremonie in München auf der Kippe stand – was OB Reiter so kommentiert: „Eine Veranstaltung ohne die Angehörigen hätte ich mir schwer vorstellen können.“ KLAUS VICK

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