München/Miesbach – Der Hilferuf ist ganz frisch. „Gestern kam die Hiobsbotschaft“, berichtet eine Mutter. Eine eigentlich geplante zweite Klasse an der Grundschule Parksiedlung Oberschleißheim kann doch nicht gebildet werden – der Lehrermangel macht das unmöglich. Jetzt sollen Schüler auf Nachbarschulen ausweichen, müssen sich an eine neue Schule gewöhnen, müssen neue Freunde finden. „Unsere Kinder sind alle sehr traurig.“
Kein Einzelfall: Ob Miesbach, Bad Tölz oder Dachau – vielerorts gibt es schlechte Nachrichten zum Schulstart. Vor allem an den Grund- und Mittelschulen bekommen Schulämter und Schulleiter nur mit etlichen Verrenkungen einen einigermaßen gelungenen Schulstart hin.
An den Grundschulen in Bayern gibt es einen ordentlichen Schülerzuwachs: 23 200 Schüler mehr als im Vorjahr, plus 5,2 Prozent, meldete Kultusminister Michael Piazolo gestern. Die Zahl der Erstklässler ist sogar um sieben Prozent gestiegen – 130 000 statt wie im Vorjahr 120 500 Abc-Schützen. Die Zahl liegt weit über dem generellen Schüleranstieg von 2,8 Prozent (45 000 Schüler). Der Hauptanteil entfällt auf die 30 000 Kinder aus der Ukraine, die in Bayern zur Schule gehen. Piazolo warb dafür, mit „ein bisschen Freude und Optimismus“ ins neue Schuljahr zu gehen. Die anderen Nachrichten – Krieg, Energiekrise – seien bedrückend genug. Er betonte: „Wir haben in allen Schularten eine solide Unterrichtsversorgung“, gestand aber ein: „Es wird eng.“
Optimismus ist auch nötig, denn die Lehrerversorgung ist auf Kante genäht. An der Grund- und Mittelschule Rottach-Egern im Kreis Miesbach etwa berichtet Rektor Ulrich Throner über schmerzhafte Abstriche: keine zweite Kunststunde mehr in den dritten und vierten Klassen, Wegfall des differenzierten Sportunterrichts an der Mittelschule. Teilzeit-Lehrkräfte müssen Klassenleitungen übernehmen. Auch seine Kollegin Claudia Horstmann, Rektorin der Grundschule Tegernsee, wird in der Not eine eigene Klassenleitung übernehmen – was unüblich ist. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ging man einen anderen Weg: Das Schulamt hatte schon vor den Ferien eine E-Mail verschickt und die Schulen aufgerufen, Pensionisten zu reaktivieren. Trotzdem steigen die Klassengrößen an den Grundschulen – von im Schnitt 21,7 auf 22,5 Kinder je Klasse. Dabei ist Kultusminister Piazolo eigentlich stolz, dass die Klassenstärken in den vergangenen Jahrzehnten bayernweit im Durchschnitt stetig gesunken sind – um im Schnitt zwei Kinder je Klasse. Im Landkreis Erding ist Schulamts–Direktor Robert Leier froh, „das Schlimmste“ verhindert zu haben. „Es ist uns gelungen, 25 Aushilfskräfte mit 390 Wochenstunden anzustellen.“ Doch der Notlage fielen sämtliche Zusatzangebote in Sport, Musik und Kunst zum Opfer. Auch im Landkreis Dachau könnte der Pflichtunterricht ohne Lehramtsstudenten mit dem ersten Staatsexamen oder am Ende des Studiums nicht aufrecht erhalten werden. Sie sind teils mit 15 Wochenstunden im Lehrerdienst.
2019 hatte Piazolo verschiedene Zwangs-Maßnahmen für die Grund- und Mittelschullehrer verhängt, unter anderem die Möglichkeit auf Teilzeit-Beschäftigung und vorzeitigen Ruhestand reduziert sowie Mehrarbeit verordnet. Weitere Maßnahmen soll es nicht geben. Er werde auch nicht anordnen, bestimmte Pflichtstunden oder Lehrplan-Inhalte zu streichen.
Die SPD wie auch die GEW forderten von Piazolo gestern, den Beruf des Grund- und Mittelschullehrers durch Einführung des Einstiegstarifs „A13 für alle“ attraktiver zu machen. Doch der Koalitionsvertrag sehe das nicht vor, sagt Piazolo.
Entspannung ist nicht in Sicht. Die Mobilen Reserven sind großteils schon verplant. 2900 schwangere Lehrkräfte in allen Schularten haben weiterhin ein Betretungsverbot und können nur im Homeoffice mithelfen. Auch mit Corona-Infektionen unter den Lehrern ist wieder zu rechnen – zuletzt blieben im Schnitt 1,7 Prozent der Lehrer wegen eines positiven Tests wochenweise zu Hause.
Der Bayerische Elternverband rät trotz Aufrufen von Eltern „von groß angelegten Protestaktionen ab“, wie der Vorsitzende Martin Löw aus Rosenheim betont. „Gleichwohl sei aufs deutlichste gesagt, dass wir mit der Situation alles andere als einverstanden sind.“ mit gab, ham, no
Grundschulen
mit Schülerzuwachs
In Tölz steigen die Klassenstärken
Von Protestaktion
wird abgeraten