„Wir sind so gut wie voll“

von Redaktion

Kommunen fordern einen Flüchtlingsgipfel mit dem Bundeskanzler

VON DIRK WALTER

München – Der Präsident des Landkreistags, Thomas Karmasin (CSU), warnt vor einem Anstieg der Flüchtlingszahlen und hält „ähnliche Zustände wie 2015 und 2016“ für nicht ausgeschlossen. „Wenn das so weiter geht, dann müssen wir in wenigen Wochen die ersten Schulturnhallen mit Flüchtlingen belegen, was den Menschen nicht mehr zu vermitteln ist“, sagte er unserer Zeitung. „Wir sind so gut wie voll.“

Alle vier kommunalen Spitzenverbände fordern daher einen Flüchtlingsgipfel auf Bundesebene. In einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fordern Landkreistag, Städtetag, Gemeindetag und Bezirketag, „die Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten nach Deutschland stärker und auch begrenzend zu steuern“. In dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt, heißt es warnend: „Eine Flüchtlingskrise wie 2015 on top werden wir nicht noch einmal stemmen können.“

Zuletzt ist die Zahl der Geflüchteten wieder gestiegen. In den ersten acht Monaten wurden laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 115 402 Erstanträge auf Asyl gestellt, ein Plus von über 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl könne sich bis Jahresende verdoppeln, warnt Karmasin. Die Ukrainer sind dabei nicht mitgerechnet, weil sie einen anderen Status haben.

In dem Brief an den Kanzler heißt es dazu: „Darüberhinaus beobachten wir einen verstärkten Zustrom aus der und über die Türkei. Wir sehen zudem einen signifikanten Aufwuchs von Migranten aus Ländern auf dem Balkan, die nicht zuletzt aufgrund der neuen Visumsfreiheit in Serbien den Weg nach Deutschland suchen.“

Die absolute Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge wäre bundesweit nicht das Problem, sagt Karmasin. Problematisch sei sie aber, weil die Unterkünfte wegen vieler „Fehlbeleger“ ja voll seien und die Menschen „auf Jahre hinaus keine Perspektive auf dem Wohnungsmarkt haben“. Fehlbeleger sind Flüchtlinge, deren Asylantrag entweder bewilligt oder aber in letzter Instanz abgelehnt worden sei. Doch die sogenannte Rückführung abgelehnter Asylbewerber sei gegen den Willen des Betroffenen kaum zu organisieren – Karmasin berichtet aus seinem Landkreis, dass die Zahl der jährlichen Rückführungen „im niedrigen zweistelligen Bereich“ liege. Woanders sei es ähnlich. Karmasin schätzt, dass rund 40 Prozent der Unterkunft-Bewohner Fehlbeleger sind. Sie sind zum Großteil auch aus der Statistik rausgefallen. Landkreise können somit nicht argumentieren, dass sie ihre Aufnahmequote schon erfüllt haben. Die Folge: Sie erhalten über die Bezirksregierungen fortwährend neue Flüchtlings-Zuweisungen.

Dabei sei die Zahl der Unterkünfte seit dem Höhepunkt der Flüchtlingszuwanderung 2015/16 ungefähr gleich geblieben – die Landkreise hätten lediglich nicht tragbare Container-Notsiedlungen aufgelöst. Rund 2500 Plätze, das sogenannte Ankerzentrum auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck mit eingerechnet, gibt es derzeit in Karmasins Landkreis.

Wichtig sei es nun, dass der Bund „keine neuen Anreize“ setze, sagte Karmasin. Die Gefahr bestehe beim neuen Bürgergeld, das ab Januar die Hartz-4-Regelung ersetze. Auf das Bürgergeld hätten auch Flüchtlinge nach Abschluss des Asylverfahrens Anspruch. „Das wird zwingend einen Pull-Effekt auslösen“, warnte Karmasin.

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