Fischbachau – Im Stallgewand statt im Feuerwehrschutzanzug stürzte Marinus Eisenkolb aus dem Haus. „Das war griffbereit“, sagt der Landwirt aus Fischbachau im Kreis Miesbach. Die Hilferufe, die er vom Balkon eines rund 200 Meter entfernten Wohnhauses hörte, ließen keine Sekunde des Zögerns zu. „In so einem Moment bist du kein Feuerwehrler“, sagt er. „Du bist einfach nur ein Mensch, der anderen helfen möchte.“
Das hat der 27-Jährige bei dem schlimmen Brand am frühen Donnerstagmorgen auch getan – und er war nicht allein. Auch der direkte Nachbar Marijo Kraljic (33) wurde zum Ersthelfer. Zusammen befreiten die beiden jungen Väter die Eltern und deren zweijährigen Sohn vom Balkon und brachten sie über eine Leiter in Sicherheit. Und noch etwas eint die Männer: Sie fühlen sich nicht als Helden – und wollen auch keinesfalls so dargestellt werden. „Wenn andere in Not sind, sollte keiner wegschauen“, findet Kraljic.
Das Feuer war um kurz vor 4 Uhr in einem Carport ausgebrochen. Ehe die Bewohner sich über die Außentreppe in Sicherheit bringen konnten, hatten sich die Flammen schon zu weit ausgebreitet. Die Brandursache ist laut Kriminalpolizei noch unklar, die Schadenshöhe bewegt sich im hohen fünfstelligen Bereich. 117 Einsatzkräfte waren mit den Löscharbeiten beschäftigt und schafften es in einer Kraftanstrengung, ein vollständiges Abbrennen der Wohnräume zu verhindern.
Alarmiert wurden sie von den Anwohnern selbst und von Eisenkolbs Frau. Die neun Monate alte Tochter der beiden habe unruhig geschlafen, so hätten sie die Hilfeschreie gehört, erzählt der Feuerwehrmann. Als er beim Blick aus dem Schlafzimmerfenster dann schon den Schein der Flammen sehen konnte, habe er sich umgehend auf den Weg gemacht. Zwischenzeitlich schreckten auch Kraljic und seine Frau aus dem Schlaf. „Wir haben erst an einen Streit gedacht“, erzählt er. Doch auch ihnen verriet der Blick nach draußen, dass es im wahrsten Sinn des Wortes brennt. Als Kraljic vor die Tür trat, war Eisenkolb gerade auf der Suche nach einer Leiter. Die holte dann Kraljics Schwiegervater herbei.
Als aktiver Feuerwehrmann wusste Eisenkolb zu diesem Zeitpunkt immerhin schon, dass die Familie auf dem Balkon (noch) nicht in unmittelbarer Lebensgefahr schwebte. Der Hauptteil der Flammen habe sich zu dem Zeitpunkt noch auf die andere Seite des Hauses beschränkt. Kraljic wiederum profitierte von früheren Erfahrungen als Ersthelfer bei Unfällen. Beide arbeiteten besonnen zusammen.
Als die Familie und auch der im Erdgeschoss wohnende Opa schließlich in Sicherheit waren, nahmen sie Familie Kraljic bei sich auf und betreuten sie in ihrem Schock, ehe Notarzt und Rettungsdienst eintrafen. Am Tag danach ist er sichtlich beeindruckt von der hohen Professionalität der freiwilligen Helfer.
Auch Eisenkolb brauchte trotz seiner Ausbildung als Feuerwehrmann ein paar Stunden, um das Erlebte verarbeiten zu können. Vor allem die Hilfeschreie der Familie habe er erst mal verdauen müssen, noch dazu, weil er selbst Vater eines Kleinkinds ist.