Der Krimi um Usmanows Fabergé-Eier

von Redaktion

Bei Razzia am Tegernsee vier Stück gefunden – Experte bezweifelt Echtheit

VON KLAUS WIENDL

Rottach-Egern – Bei der Razzia vor knapp zwei Wochen in der Villa in Rottach-Egern am Tegernsee, in der Oligarch Usmanow lebte, wurden laut Staatsanwaltschaft „wertvolle“ Kunstgegenstände gefunden. Darunter waren auch vier Fabergé-Eier. Wären sie Originale, würden sie viele Millionen kosten. Doch dies bezweifelt nun ein Experte.

Die zuständige Staatsanwaltschaft München II geht davon aus, dass es sich bei den vier Fabergé-Eiern um Originale handelt – vorbehaltlich einer endgültigen Überprüfung. Anders beurteilt dies ein Münchner Experte, der sich seit 1979 mit unzähligen Fabergé-Eiern befasst. Heinrich Graf von Spreti ist „Honorary Chairman Sotheby’s Germany“, wie er sich selbst bezeichnet. Als deutscher Ehrenvorsitzender des Londoner Kunst- und Auktionshauses Sotheby’s hat er in dessen Auftrag schon mehrfach Fabergé-Eier „inspiziert“, wie er auf Anfrage unserer Zeitung sagt. „Eine Fälschung kann man erkennen. Es gibt viele und gute Fabergé-Eier, hergestellt wohl in den USA oder Israel. Aber an die originalen Objekte kommen die fast nicht ran.“ Dennoch würden diese Eier „zu horrenden Preisen gekauft werden“.

Eine Fälschung würde er sofort an Machart, Design und Qualität des Objektes erkennen, innerhalb eines Tages. Deshalb wundert sich Experte von Spreti, dass die von der Staatsanwaltschaft veranlasste Untersuchung durch einen Gutachter auch nach mehr als einer Woche noch nicht abgeschlossen ist. Wenn allerdings unter den vier Eiern sich doch ein „eventuell verschollenes, kaiserlich-russisches Fabergé-Ei befinden sollte, dann wären länger Recherchen nötig“, so von Spretis Erklärung. „Ein standardisiertes Prüfungsverfahren für Fabergé-Eier gibt es nicht.“ Er will aber angesichts der langen Begutachtung über mehrere Tage nicht ausschließen, dass eines der verschollenen Eier dabei sein könnte.

In den Wirren der russischen Oktoberrevolution waren fünf bis sechs der kaiserlichen Fabergé-Eier verloren gegangen. Bis heute gelten sie als vermisst. Urspünglich waren es einmal 52. Die filigranen, detailreichen Eier aus Gold, Diamanten und Emaille entstanden zwischen 1885 und 1917 in der Werkstatt des russischen Goldschmieds Peter Carl Fabergé in St. Petersburg. Alle Eier befanden sich bis 1917 im Besitz der Zarenfamilie, heute werden viele von ihnen in Museen ausgestellt. Von manchen der verschollenen Schmuckstücke existieren Fotos, von anderen nur Namen, so Experte von Spreti. Ein echtes Ei habe einen Wert zwischen fünf und 50 Millionen Euro. 2007 wurde ein Exemplar für 12,5 Millionen Euro im Londoner Auktionshaus Christie’s versteigert.

Sollte es sich bei den Exemplaren aus Rottach-Egern aber um Imitate handeln, würde dies zu Usmanows Erwiderung passen. Er ließ auf Anfrage über seinen Sprecher nach der Razzia mitteilen, dass es sich bei den konfiszierten Eiern um „Souvenirs im Wert von mehreren Tausend Euro“ handeln würde, „die mit künstlichen Edelsteinen in München hergestellt wurden“. Die Fabergé-Eier seien als Geschenk für Freunde und Verwandte in Usbekistan bestimmt gewesen. Nicht in München, sondern in Pforzheim seien wohl Usmanows Eier hergestellt worden, glaubt dagegen Sotheby’s-Experte Heinrich von Spreti. Denn dort hatte von 1990 bis 2009 die Schmuckmanufaktur Victor Mayer die Exklusivrechte zur Herstellung dieser Sammlerobjekte. 50 Kunsthandwerker arbeiteten nach Angaben der Firma als Emailleure, Ziseleure und Paillettenmacher an lizenzsierten Nachbildungen der Fabergé-Eier, die bis zu 200 000 Euro kosten. Die Nachfrage von reichen Potentaten aus aller Welt sei enorm gewesen, so die Manufaktur.

Da Usmanow seine Fabergé-Eier nicht deklariert hatte, ermittelt die Staatsanwaltschaft München II wegen des Anfangsverdachts einer Straftat nach dem Außenwirtschaftsgesetz. Es liege womöglich ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle vor. Sollte der 69-Jährige deshalb verurteilt werden, sieht der Strafrahmen eine Geld- oder eine Freiheitstrafe bis zu einem Jahr vor.

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