München – Diese Festnahmen waren hollywoodreif: In der Türkei konnten 30 Betrüger geschnappt werden, die als falsche Polizisten 1,6 Millionen Euro erbeutet hatten – und das fast ausschließlich in München. Zwei Jahre lang haben Polizei, Staatsanwaltschaft und BKA an der Isar ermittelt, standen dabei in engem Kontakt mit den Kollegen am Bosporus. Am Samstag erfolgte nun der spektakuläre Zugriff in der Türkei: In sechs Städten stürmten Spezialkräfte 41 Objekte, die zum Callcenter-Ring gehören. „Dabei konnte auch der Kopf der Bande festgenommen werden“, erklärte Chef-Ermittlerin Desiree Schelshorn, die Stellvertretende Leiterin der AG Phänomeme.
Ein großer Schritt, wie Oberstaatsanwalt Kai Gräber bei der Pressekonferenz im Polizeipräsidium gestern betonte. Denn oftmals könnten nur die Abholer, die das Geld bei den Opfern vor Ort einkassieren, festgenommen und vor Gericht gestellt werden. Sie sind freilich nur ein kleines Licht in der Bande. Deren perfide Masche: Anrufe bei Senioren, denen eine hanebüchene Geschichte erzählt wird.
Laut Schelshorn und Gräber waren Mitglieder einer Einbrecherbande geschnappt worden, bei denen eine Liste gefunden wurde. Darauf: die Namen der Angerufenen. Zum Schutz sollen die Opfer Geld und Wertgegenstände an die angeblichen Polizisten übergeben. Eine Aufforderung, der die Senioren oftmals nachkommen. Die Folge: Das Geld ist weg.
Insgesamt werden der Bande 68 Straftaten vorgeworfen – 45 in München. Angerufen wurde aus Mersin, Izmir, Istanbul, Trabzon, Antalya und Denizli. „Zumindest diesen Callcentern haben wir den Stecker gezogen und dadurch weitere Telefonbetrügereien verhindert“, sagt Schelshorn und mahnt zugleich: „Einige Großfamilien haben sich mit dieser Betrugsmasche regelrechte Geschäftsstrukturen aufgebaut und werden versuchen, diese fortzuführen.“
Bei den Zugriffen wurden neben Geld und Gold zahlreiche Computersysteme und Büroausstattungen sichergestellt. „Aus den digitalforensischen Untersuchungen erhoffen wir uns klare Hinweise und Ermittlungsansätze gegen andere betrügerische Callcenter.“ Denn die traurige Wahrheit ist: Es gibt immer mehr falsche Polizisten.
67 von ihnen konnten bereits im Dezember 2020 in Izmir festgenommen werden. Dieser Bande wurde erst Ende September in der Türkei der Prozess gemacht. Mit drakonischen Strafandrohungen: Dem Anführer der Izmir-Betrüger drohen summiert 400 Jahre Haft.
Schlagzeilen, die laut Oberstaatsanwalt Gräber auch den Kopf der Bande in Mersin nervös machten. In den vergangenen Jahren habe er sich anscheinend sicher gefühlt. So sehr, dass sich der Kopf der Bande nicht einmal die Mühe gemacht habe, die Nummer seines Handys zu wechseln. Jetzt sei er indes in Begriff gewesen, seine Zelte abzubrechen, als am Samstag die Polizei vor seiner Tür stand. Inzwischen sitzt er in U-Haft.