Ramsau – Mit 750 Jahren und elf Metern Stammumfang ist die „Hindenburglinde“ im Bergsteigerdorf Ramsau an der Deutschen Alpenstraße ab sofort ein „Nationalerbe“. „Eine vergleichbare Linde findet man in ganz Deutschland nicht“, sagt Professor Andreas Rohloff vom Institut für Forstbotanik und Forstzoologie an der TU Dresden. Allein die Äste des hölzernen Riesen haben „Baumdimensionen“, wie es in einem 40-seitigen Gutachten heißt.
In Bayern gibt es nur einen weiteren Baum, der zum Nationalerbe ausgerufen wurde. Allein der Stamm des Baumes hat einen Durchmesser von 3,5 Metern. Zum Vergleich: Bei den Staatsforsten werden Bäume mit über einem Meter Durchmesser schon als „Methusalembäume“ bezeichnet. Die berühmte Linde von Ramsau steht seit Jahrhunderten an derselben Stelle, sie hat Kriege überstanden und Stürmen getrotzt. „Sie ist bei ihrem Umfang fast vollkommen intakt“, sagt Baumexperte Rohloff.
In Deutschland gibt es womöglich keinen einzigen über 1000 Jahre alten Baum. Roloff weiß, weshalb: „Unsere Sicherheitserwartung ist inzwischen zu hoch geworden: Zu viele dieser Bäume werden gekappt, um sie vermeintlich verkehrssicher zu machen.“ Bei forstlicher Bewirtschaftung werden Fichten oder Kiefern in Deutschland normalerweise nach 80 bis 100 Jahren gefällt, Eichen können bis zu 140 Jahre an derselben Stelle verbleiben, bis sie geerntet werden.
Auch Ramsaus Bürgermeister Herbert Gschossmann kennt die „Hindenburglinde“ seit der ersten Klasse. „Sie wurde damals als 1000-jährige Linde bezeichnet“, erinnert er sich. Ganz so alt ist sie zwar noch nicht, das Potenzial dazu hat sie aber. „Bäume wie diesen sollte man in Ruhe altern lassen“, wünscht sich der Bürgermeister. Der Baum werde „weitere Generationen beeindrucken und den Menschen mit ihrer Pracht und Würde Freude bereiten“.
Kreisheimatpfleger Johannes Schöbinger ist für die Recherche zur Linde ins Archiv gegangen und hat den Urkataster von 1817 herangezogen. Das Land war damals erst sieben Jahre bayerisch. „Schon zu fürstpröbstlichen Zeiten nutzten die benachbarten Lehensbauern den Bezirk als Freiweide für ihr Vieh“, sagt Schöbinger. Das reichlich vorhandene Laub wurde als Laubstreu für den Stall genutzt. Als um 1850 die ersten Reisebeschreibungen erschienen, firmierte der Baum noch als „Große Linde“. 1900 erschien eine wissenschaftliche Forschung des königlich-bayerischen Inspektors Friedrich Stützer in Buchform: „Die größten, ältesten oder sonst merkwürdigen Bäume Bayerns in Wort und Bild“, so der Titel. Schon damals bezeichnete er die Linde als „gigantischen Baumriesen“.
Nach der Machtergreifung der Nazis und im Rahmen des aufkommenden Führerkults verlieh die Gemeinde Ramsau im März 1933 dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg die Ehrenbürgerwürde. „Zugleich wurde als Dank für die Berufung Adolf Hitlers zum Reichskanzler die bisherige ,große‘ oder ,tausendjährige‘ Linde in Hindenburglinde umbenannt“, sagt der Kreisheimatpfleger. Als Baum kann man sich nun mal nicht wehren, nach wem man benannt wird.
Eine Tafel ziert nun die Wiese vor dem Baumgiganten. Darauf steht: „Damit soll die nationale Bedeutung dieses Baumes gewürdigt werden, dass er als Naturmonument noch viele weitere Jahrhunderte erlebt.“ Der Landkreis Berchtesgadener Land wird sich ab sofort um die Pflege des Baumes kümmern.