Fast ein kleiner Pisa-Schock

von Redaktion

VON DIRK WALTER

München/Berlin – 2001 rüttelte die erste Pisa-Studie Deutschlands Bildungspolitiker wach. Hat 2022 die nunmehr dritte Grundschulleistungsstudie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) denselben Effekt? Das Fazit von Heinz-Peter Meidinger, früher Schulleiter in Bayern und nun Präsident des Deutschen Lehrerverbands, ist jedenfalls ernüchternd: Fast alle Qualitätssteigerungen nach dem Pisa-Schock seien „wieder verloren gegangen“, sagt der Verbandschef.

Die Ergebnisse des IQB-Tests, gestern in Berlin vorgelegt, sind kein Anlass zum Jubeln. Es gebe „signifikant negative Trends in allen untersuchten Fächern und Kompetenzbereichen im Zeitraum 2016-2021“, halten die Forscher fest. Die Zahl der Kinder, die Mindeststandards verfehlen, sei „hoch und hat sich noch einmal deutlich erhöht“.

.  Im Lesen erreichten nur 57,6 Prozent der Viertklässler den Regelstandard. 18,8 Prozent scheitern am Mindeststandard, in Bremen sogar 31 Prozent, in Bayern „nur“ 11,4 Prozent.

.  Im Zuhören erreichen 58,9 Prozent den Regelstandard. Schleswig-Holstein schneidet am besten ab, Bayern ist mit Sachsen auf Platz 2.

.  Beim Rechtschreiben fallen die Ergebnisse bundesweit am schlechtesten aus. 30,4 Prozent aller Viertklässler verfehlen die Mindeststandards. Die Bandbreite zwischen den Ländern ist enorm. In Berlin und Brandenburg verfehlt jedes zweite Kind (46,1/45,7 Prozent) die Mindestnorm, in Bayern sind es 20,5 Prozent.

.  In Mathematik erreicht nur gut die Hälfte (54,8 Prozent) den Regelstandard. 22 Prozent verfehlen den Mindeststandard.

Von Ausnahmen abgesehen, nahmen Bildungspolitiker und Experten die Ergebnisse fast schon routiniert zur Kenntnis. Lehrerverbands-Chef Meidinger sagt, die Schulpolitik habe sich mit Modellversuchen „verzettelt“. Er regte den Verzicht auf frühen Fremdsprachenunterricht (Englisch) an, besser sei es, mehr Wert auf Deutsch und Mathe zu legen. Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (FW) sprach von guten Ergebnissen gerade angesichts der Corona-Pandemie. Die SPD verlangte mehr Lehrer und Lehrerinnen.

Philologenchef Michael Schwägerl sagte, das bayerische Ergebnis sei „einmal mehr ein Beweis, dass sich Bayerns Festhalten am vielgliedrigen Schulwesen“ bewährt habe. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann verwies auf die „sozioökonomische Struktur“ als Erklärung für Unterschiede zwischen den Bundesländern. Ein Faktor ist hier der Migrationsanteil, der unter Bayerns Viertklässlern mit 34,6 Prozent niedriger ist als etwa in Berlin (48,1) oder gar Bremen (58,3). Allerdings hat Schleswig-Holstein einen geringeren Migrationsanteil (28,8) als Bayern – und trotzdem schlechtere Schülerleistungen.

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