„Patienten bekommen die Finanznot der Kliniken zu spüren“

von Redaktion

INTERVIEW Bayerische Krankenhäuser aufgrund eines Gesetzes in Insolvenzgefahr – Sorge um Weihnachtsgeld

München – Roland Engehausen, Chef der bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG), befürchtet den finanziellen Kollaps von Kliniken.

Herr Engehausen, die bayerischen Landkreise warnen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in einem Brandbrief, dass viele Krankenhäuser kurz vor der Pleite stehen. Was ist da los?

Es ist tatsächlich so. Der Grund ist, dass die derzeitige Kostenexplosion in den Preisverhandlungen mit den Krankenkassen am Jahresanfang nicht berücksichtigt wurde. Und auch für das kommende Jahr können wir in den Verhandlungen nicht die vollen Preissteigerungen ansetzen. Nur über rund ein Drittel davon darf verhandelt werden – das ist gesetzlich so geregelt.

Was ist das für eine Regel?

In normalen Zeiten soll sie dafür sorgen, dass sich die Verhandlungspartner innerhalb eines Finanzkorridors schneller einigen und kurzfristige Beitragssteigerungen bei den Kassen vermeiden. Aber jetzt trifft das die Realität nicht mehr. Die Krankenhäuser bleiben auf den Kostenexplosionen sitzen. Es gibt zwar zumindest in kommunalen Häusern die Möglichkeit, dass die Landkreise ihren Kliniken ein Überbrückungsdarlehen geben. Aber dieses Geld muss auch zurückgezahlt werden. Und die Kommunen müssen gerade viele andere Löcher stopfen. Die Aufregung ist groß.

Was sind die Folgen?

Für die Kliniken bedeutet der extreme Sparzwang, dass sie darauf verzichten müssen, zusätzliches Personal über Zeitarbeitsfirmen anzustellen. Das verstärkt den ohnehin schon enormen Personalmangel. Und damit bekommen auch die Patienten die Finanznot der Kliniken deutlich zu spüren – zum Beispiel in überlasteten Notaufnahmen. Wir sehen, dass die enorme Belastung im mittlerweile dritten Corona-Winter von unseren Mitarbeitern nicht mehr aufgefangen werden kann, wenn man den Kliniken auch noch die Finanzierung entzieht. Theoretisch besteht sogar die Gefahr, dass das Weihnachtsgeld für die Mitarbeiter in diesem Jahr später ausgezahlt werden muss – ich hoffe nicht, dass es dazu kommt. Andere freiwillige Leistungen stehen leider ohnehin auf der Kippe.

Was müsste passieren?

Der Bundesgesundheitsminister muss das geschilderte Verhandlungsverbot für die vollen Kostensteigerungen für 2023 aussetzen, am besten auch rückwirkend für 2022. Wenn Herr Lauterbach das nicht will, muss es Ausgleichszahlungen vom Bund geben. Von Bayern erhoffen wir uns zudem, dass der Freistaat mehr Geld in seine Krankenhäuser investiert – etwa für die energetische Sanierung der Häuser. Zudem könnte ein bayerischer Unterstützungsfonds für notleidende Kliniken helfen, um ansonsten unvermeidliche Insolvenzen abzuwenden.

Interview: Sebastian Horsch

Artikel 10 von 11