München – Das Gleis der Straßenbahnlinie 3 sollte Augsburg und Königsbrunn eigentlich miteinander verbinden. Letztendlich hat das Millionenprojekt aber gezeigt, wie unterschiedlich Stadt und Gemeinde mit Steuergeldern umgehen. Königsbrunn hat seinen Teil der Trasse mit einfacher Rasensaat bepflanzt. Kosten: 3300 Euro. Die Stadt Augsburg hingegen hat für ihre 1,8 Kilometer in golfplatzgrünen Rollrasen investiert und darin auch die Schienen einbetten lassen. Kosten: 577 000 Euro. Der Rollrasen wurde eigens aus Sachsen angeliefert. „Eine ökologische Glanzleistung“, urteilte Maria Ritch, die Vizepräsidentin des Bunds für Steuerzahler, als sie gestern in München das Schwarzbuch vorstellte.
Der Bund der Steuerzahler (BdSt) veröffentlicht in dieser Sammlung seit 50 Jahren Beispiele für mutmaßliche Steuergeldverschwendungen. Es geht um explodierte Baukosten, teure Fehlplanungen oder falsche Investitionen. Der BdSt – ein Lobbyverband, der vor allem mittelständische Unternehmer, Freiberufler und Besserverdiener repräsentiert – will mit diesen exemplarischen Fällen einen effizienteren Umgang mit Steuergeldern erreichen. „Vieles hat sich seit 1972 zum Guten gewendet“, sagte Ritch bei der Präsentation. Doch noch immer fehle in vielen Verwaltungen das Kostenbewusstsein.
Beispiele dafür hat der BdSt in Bayern im vergangenen Jahr genug gefunden. Etwa die öffentliche Toilette in Regensburg, die für 890 000 Euro gebaut wurde. Dazu kommen jährliche Betriebskosten von 35 000 Euro. Bei diesem teuren stillen Örtchen handelt es sich um einen 20 Meter langen Betonklotz mit Wartebereich.
Auch in Traunstein gibt es ein Bauwerk, das Ritch als „ökologischen Unsinn“ bezeichnet. Eine Fußgängerbrücke über die B304, in der für 150 000 Euro elektrische Heizmatten verbaut wurden, damit im Winter Schnee und Eis abtauen. Schon vor der Energiekrise beliefen sich die Stromkosten dafür auf 23 000 Euro pro Winter. Dass sich dieser Preis nun verdreifachen würde, hat die Stadt erkannt. Die Brücke wird nun nicht mehr beheizt.
Auch ein paar prominentere Fälle hat der BdSt im Schwarzbuch aufgenommen. Zum Beispiel den G7-Gipfel in Elmau im Juni. Die Bilder von den Staats- und Regierungschefs im idyllischen Werdenfelser Land gingen um die Welt. Der Bund der Steuerzahler spricht von teurer Imagepflege. Organisation und Planung des Gipfels sollen rund 180 Millionen Euro gekostet haben – über 45 Millionen mehr als 2015. Der BdST geht davon aus, dass die Summe für Absperrungen, Umbauten und Sicherheitsmaßnahmen noch deutlich höher liegt. „Aus Steuerzahlersicht muss man die Frage stellen, ob das Treffen nicht einfacher in München als in einem abgelegenen Tal hätte stattfinden können“, betonte Ritch. „Dadurch wären die Kosten deutlich geringer gewesen.“
Ebenfalls in der Kritik: ein Prestigeprojekt der bayerischen Staatsregierung, das Zukunftsmuseum in Nürnberg, eine Zweigstelle des Deutschen Museums. Der Freistaat hat sich für 25 Jahre verpflichtet, die Jahresmiete von 2,8 Millionen Euro zu übernehmen. Dazu kommen Baukosten von 27,6 Millionen Euro. Diese hohe Summe stößt nicht nur dem BdSt auf – sondern auch der Opposition im Landtag, sie fordert einen Untersuchungsausschuss. Auch der Oberste Rechnungshof hatte die hohen Kosten kritisiert.
Kritik übte der BdSt auch am neuen Abschiebegefängnis in Hof. Die Kosten haben sich fast verdreifacht und belaufen sich auf 80 Millionen Euro. Ausgelastet ist die Einrichtung hingegen nicht, dieses Jahr waren nur 23 bis 35 Prozent der Plätze belegt.
Auch einen skurrilen Fall von Steuergeldverschwendung gibt es im aktuellen Schwarzbuch, Ritch spricht von der Augsburger Überstundenaffäre. Ein Baureferent der Stadt hat seit 1994 über 4000 Überstunden aufgebaut. Nun geht er in Rente und will sie sich auszahlen lassen. Es geht um rund 200 000 Euro. Der Bund der Steuerzahler bemängelt, dass in der Dienstvereinbarung weder eine Höchstgrenze noch der Verfall von Überstunden geregelt ist. „Die Stadt hat unsere Fragen zu dem Fall nicht beantwortet“, sagt Ritch. Immerhin: Reagiert hat sie – und inzwischen ein digitales Zeitwirtschaftssystem eingeführt. KATRIN WOITSCH