DAS PORTRÄT

Begleiterin in der Trauer

von Redaktion

Viel Freizeit hat Agnes Hinterleitner nicht. Nie gehabt. Der Sonntagvormittag gehört ihr, ihn verbringt sie zu Hause. Nachmittags steht sie wieder in ihrem Blumenhäuschen, bereitet Kränze oder Gestecke vor oder kümmert sich um die Dekoration in der Aussegnungshalle. So sehen ihre Wochen seit 50 Jahren aus. Für die Trauerhilfe Denk in Oberhaching ist sie eine Institution.

Sie war eine junge Frau, als sie die Arbeit dort begann. Das kam eher zufällig. Eigentlich wollte sie Hoteltechnikerin werden, machte dann aber eine Lehre zur ländlichen Hauswirtschafterin. Zur Trauerhilfe kam sie über ihren Mann, er war Grabmacher und Fahrer. Sie übernahm die Dekoration für Trauerhalle und Gräber. „Ich musste mich da selbst reintasten“, erinnert sie sich. Sie war damals die einzige Mitarbeiterin und für alle Trauerfeiern zwischen Garching und Holzkirchen zuständig. In Oberhaching nahm sie auch Sterbefälle auf, ihr kleines Beraterbüro war direkt am Friedhof. Agnes Hinterleitner lernte, dass jeder mit Trauer anders umgeht. Viele Menschen musste sie trösten, manchmal musste sie aber auch Frust aushalten. „Es gibt auch Menschen, die kaum sprechen, andere wollen alles schnell hinter sich bringen. Man muss sich auf jeden einzelnen einstellen.“ Eines hatten fast alle gemeinsam, denen Agnes Hinterleitner bei einem Trauerfall half: Sie waren dankbar. „Oft bekomme ich nach der Beerdigung eine Karte mit netten Worten“, berichtet sie. Das sind die Momente, in denen sie weiß, warum sie jeden Morgen um 6 Uhr ihr Blumenhäuschen aufsperrt und beginnt, Kranzschleifen zu drucken und alles herzurichten.

Die zeitfressenden Fahrten von Friedhof zu Friedhof hat sie bereits in den 70ern aufgegeben. Sie konzentrierte sich ganz auf die Sterbefallberatung in Oberhaching. „Jeder Angehörige ist wichtig“ – an dieser Überzeugung hat sich für sie nie etwas geändert. Agnes Hinterleitner ist keine Frau, die jammert. Sie ist eine Macherin. „Für meine Arbeit braucht man viel Geduld und Empathie“, sagt sie. Nicht immer fällt es ihr leicht, die schweren Schicksale hinter sich zu lassen. Besonders, wenn sie die Toten gekannt hat. Ans Aufhören denkt sie noch nicht. Dafür ist ihre Arbeit trotz aller Trauer doch zu schön, findet sie. Denn durch sie hat sie gelernt, das Leben zu leben. Einer der Sätze, den sie besonders oft zu ihren Kunden sagt, lautet: „Man muss für die schönen Zeiten dankbar sein.“ KATRIN WOITSCH

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