Weilheim – Wie konnte das passieren? 62 Jahre lang lebte ein Ehepaar harmonisch zusammen. Es gab nie Streit. Alles entschieden sie gemeinsam. Der Platz im Altenheim war schon gebucht. Doch dann kam der 10. Juni, ein „verhängnisvoller Tag“, sagt der Angeklagte. Der 85-Jährige erschlug seine Frau Reinhilde in Weilheim mit einem Knobkierie, einem hölzernen afrikanischen Schlaginstrument – angeblich, weil ihm alles über den Kopf wuchs, nachdem die Frau eine Hirnblutung erlitten hatte.
Gestern begann vor dem Landgericht München II sein Prozess. Die Anklage lautete auf Totschlag. Der 85-Jährige, der die Tat voll umfänglich einräumte, hatte eine ganz spezielle Erklärung für das, was passiert ist. Und die ging in Richtung Schuldunfähigkeit. Angeblich hatte ihn eine unbekannte Macht getrieben. Alles sei ohne sein Zutun geschehen. Er führte diese psychische Ausnahmesituation auf einen Schlaganfall zurück, den er vor Jahren während einer Hüft-OP erlitten haben will. Angeblich konnte er zwei Jahre lang nicht richtig sprechen. „Seitdem hat sich etwas in meinem Kopf geändert, ich bin nicht mehr derselbe“, sagte er. Medizinisch wurde der Schlaganfall nie bestätigt.
Am Tattag hatten er und seine Frau sich im Wohnzimmer ausgeruht. Sie saß im Sessel, er lag auf der Couch. Doch er fand keine Ruhe. Sorgen und Zukunftsängste um sich und seine Frau türmten sich vor ihm auf. Eine wahnsinnige Unruhe packte ihn und er sagte zu ihr: „Reini, ich komm’ zu Dir jetzt, ich bringe Dich um.“ Seine Frau erwiderte: „Du bleibst liegen, was hab ich Dir denn getan?“ Es war einer der lichten Momente der 82-Jährigen, in dem sie ihn verbal noch abzuwehren versuchte. Doch der Angeklagte packte den Knobkierie, ein Souvenir, das die beiden von ihrem dreijährigen Arbeitsaufenthalt in Afrika mitgebracht hatten, und drosch auf seine Ehefrau ein. Zuvor hatte er versucht, sie mit den Händen zu erdrosseln, scheiterte aber an ihrer Gegenwehr. Erst als sie vom Stuhl rutschte und auf dem Boden lag, schlug er ihr gezielt auf den Kopf, mindestens zehn Mal. Als sie sich nicht mehr wehrte, drückte er ihr den Hals zu, bis auch das letzte Röcheln verstummt war.
„Ich kann mir nicht verzeihen, was ich meiner Frau angetan habe“, ließ der Angeklagte über seinen Verteidiger erklären. Er könne sich das Geschehene bis heute nicht erklären und bereue es jeden Tag, fügte er hinzu.
Das Schwurgericht muss nun klären, wie es zu der Attacke kam. Eigentlich war der Tattag gut verlaufen. Das Ehepaar hatte einen Interessenten für die Eisenbahn des 85-Jährigen empfangen. Er wollte sie für 400 Euro kaufen. Doch dazu kam es nicht mehr. Der Prozess dauert an.
85-Jähriger fühlt
sich von fremder
Macht getrieben
Modell-Eisenbahn
kurz vor der Tat für 400 Euro verkauft