Der Schutt-Skandal des Abrisskönigs

von Redaktion

VON CARINA ZIMNIOK

München – Wenn es sein muss, lässt Günther Karl, 76, auch Bagger fliegen. Der Baulöwe aus Niederbayern riss vor zwei Jahren eine Klinik in Freyung ab. Das musste sein, weil dort 2023 die Landesgartenschau stattfindet. In der Klinik war tonnenweise Asbest verbaut, der Abriss mit 8,2 Millionen Euro zu teuer für die Stadt. Unternehmer Karl, 44 Tochterfirmen und 400 Mitarbeiter, sprang ein. Um sich zu verewigen, wie er später sagte.

Karl, der im Hubschrauber von Baustelle zu Baustelle fliegt, sorgte schon oft für Schlagzeilen. In München kaufte er 2005 die Trabrennbahn Daglfing, es folgte ein langer Rechtsstreit. In Deggendorf stürzte er mal mitten in der Nacht eine Brücke in die Donau – entgegen der Absprache mit den Behörden. Nun erwarb Karl also das Freyunger Grundstück für einen Euro, riss die Klinik nieder. Das Grundstück verkaufte er der Stadt später wieder für 3,5 Millionen Euro. Als Karl tatsächlich einen Bagger auf das Klinikdach schweben ließ, weil der Abriss sonst nicht funktioniert hätte, kamen Schaulustige und Kamerateams. „Abrisskönig“ Karl wurde gefeiert. Doch die Karl Bau GmbH ist in einen Umweltskandal verwickelt. Vorwurf: unsachgemäße Entsorgung von belastetem Bodenmaterial und Bauschutt. „Wir haben den Eindruck, dass das Teil des Geschäftsmodells ist“, sagt Oberstaatsanwalt Walter Feiler unserer Zeitung. Staatsanwaltschaft Passau und Kriminalpolizei ermitteln seit zwei Jahren, „der Fall weitet sich immer weiter aus“.

Im Visier stehen mehrere Verantwortliche der Karl Bau GmbH. Sie sollen Asbest, PCB und pechhaltigen Straßenabbruch – jeweils giftig und krebserregend – illegal entsorgt haben, um sich so Kosten „über mehrere Millionen Euro“ zu sparen. Konnte Karl deshalb den niedrigen Preis in Freyung anbieten? Und wo sind 200 Tonnen Bauschutt abgeblieben? Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs, prüft, ob die Karl Bau GmbH das Gutachten in die Höhe getrieben hat und wo der Schutt gelandet ist. Der eigentliche Umweltkrimi beginnt im Dezember 2019. Das Landratsamt Passau erfährt, dass gefährlicher Schutt vom Neubau der B 15 im Kreis Regensburg in eine seit 1997 stillgelegte Kiesgrube gekippt wurde. Es folgen Ortstermine, die Baufirma muss Unterlagen vorlegen, beantragt Fristverlängerungen. Im Sommer 2022 steht fest: In der Kiesgrube wurden mindestens 1,2 Millionen Tonnen belastetes Material entsorgt. Laut Regierung von Niederbayern ist das Grundwasser „erheblich verunreinigt“. Die Wasserversorgung sei aber nicht betroffen.

Nach Medienberichten bekommen die Behörden weitere Hinweise. 150 Polizisten und sechs Staatsanwälte durchsuchen im Juli mehrere Büros, Geschäftsräume und Wohnungen. Die Beamten ziehen 2,7 Millionen Euro vorläufig ein – mindestens so hoch sind wohl die Ersparnisse durch die illegale Entsorgung. Vorigen Donnerstag durchsuchen Ermittler acht Objekte im Raum Landshut und Geisenfeld (Kreis Pfaffenhofen). Sie entdecken unweit eines Naherholungsgebiets bei Landshut eine illegale Lagerstätte mit 500 Tonnen Abbruchmaterial – ein 31-Jähriger mit Geschäftsbeziehungen zur Karl Bau GmbH betreibt sie. Auf Anfrage teilt die Karl Bau GmbH mit, man habe von dem Mann nur Flächen gemietet, aber noch nicht genutzt, da es noch keine Genehmigung gebe. Der Beschuldigte habe ohne Kenntnis der Karl Bau GmbH die vermieteten Flächen genutzt, das Mietverhältnis sei gekündigt worden.

Auch in Oberbayern hat die Staatsanwaltschaft Baustellen der Karl Bau GmbH im Visier: So besteht Verdacht auf illegale Entsorgung von Bodenmaterial aus Abbrucharbeiten am Klinikum Großhadern, Klinikum Bogenhausen, an der Tierklinik Oberschleißheim und an der Papierfabrik Dachau. Im Dachauer Fall sind die Ermittlungen laut Oberstaatsanwalt Feiler „relativ weit“, es erhärte sich der Verdacht, dass belastetes Material in Eching, Kreis Freising, illegal entsorgt wurde. Das Landratsamt weiß davon bislang noch nichts.

„Das ist alles nur die Spitze des Eisbergs“, befürchtet Rosi Steinberger, Landtagsabgeordnete der Grünen. Sie hatte im Juli eine Anfrage an die Staatsregierung gestellt. In der 24-seitigen Antwort, die nun vorliegt, steht auch, dass die Firma in den vergangenen 20 Jahren dutzende staatliche Aufträge erhalten hat. Laut Staatsregierung erfolgte die Entsorgung von belastetem Material durch „geeignete“ Unternehmen. Ein Muster, das Oberstaatsanwalt Feiler kennt: So habe die Karl Bau GmbH in Unterlagen häufig Deponien angegeben, auf denen das Material angeblich entsorgt wurde. Aber: „Die waren nie da.“ Zu den Ausführungen der Staatsregierung sagte die Karl GmbH gestern mit Verweis auf eine zu kurzfristige Anfrage nichts.

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