Erding – Hans Zehetmair, einer der Großen in der CSU, war Schul- und Wissenschaftsminister unter Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber, er stand für klare Kante in der Bildungspolitik, konservativ gewiss, aber nicht verbohrt. Schon länger war Zehetmair, der mitten in Erding wohnte, erkrankt. In diesem Jahr war auch noch seine Ehefrau Ingrid, mit der er 2021 noch diamantene Hochzeit gefeiert hatte, verstorben. Zuletzt wohnte Zehetmair bei seiner Tochter in Neumarkt-Sankt Veit, wo er nun auch im Alter von 86 Jahren verstorben ist.
Wie nur noch Hans Maier, 91, stand Hans Zehetmair als Inbegriff des bayerischen Kultusministers, ein Amt, das er von 1986 bis 1998 zwölf Jahre lang innehatte, ja prägte. Damals waren die Konfliktlinien noch strenger nach Partei-Weltbildern geordnet als heute. Hier die SPD-geführten A-Länder mit ihrem Hang zur Gesamtschule, dort die von der Union dominierten B-Länder mit ihrem gegliederten Schulwesen, dessen Wortführer in der Kultusministerkonferenz (KMK) Zehetmair war.
Es war die Zeit, da das bayerische Abitur noch so etwas wie ein Adelsprädikat war – schwer zu erwerben, bundesweit anerkannt. Zehetmair war Mitglied im Bayerischen Philologenverband und mischte dort freimütig mit – mit Verbandschef Rainer Rupp war er auch befreundet.
Bei so manchem Konzept (etwa der sechsstufigen Realschule), das dann in den politischen Prozess eingespeist wurde, standen in enger Verschmelzung Zehetmair der Philologe (der auch gerne mal Homer und Platon las) und Zehetmair der CSU-Politiker Pate.
Aufgewachsen war der ehemalige Lehrer am Domgymnasium Freising im Erdinger Umland. Der Sohn eines Bauern und Wagnermeisters besuchte das Dom-Gymnasium Freising – dort, wo er von 1964 bis 1974 auch Lehrer war. Zu dieser Zeit war er bereits CSU-Nachwuchshoffnung mit Stadtratsmandat. Parteiintern machte er 1978 auf sich aufmerksam, als er der Bayernpartei den letzten Landrats-Posten entwand.
Seine Chance, in die Landespolitik zu wechseln, ergab sich 1986, als Hans Maier mit Franz Josef Strauß brach, weil er die Trennung des Wissenschafts- vom Kultusressort in zwei eigenständigen Ministerien nicht akzeptieren wollte. Zehetmair sprang ein. Überliefert ist anekdotisch, dass ihm Strauß telefonisch nahelegte, doch zunächst Staatssekretär zu werden. „Ich traue mir das Ministeramt zu“, antwortete Zehetmair selbstbewusst. Wegbegleiter schildern einen Minister, der sich auch über Einwände seiner Verwaltungsbeamten hinwegsetzen konnte – eine Tugend, die im Kultusressort besonders wichtig ist. Es waren prägende Zehetmair-Jahre. In seiner Amtszeit entstand die Pinakothek der Moderne und wuchsen die Fachhochschulen zu ernsthaften Konkurrenten der Universitäten heran.
Nur ungern akzeptierte Zehetmair, dass im eigenen Haus 1993, von Edmund Stoiber angeschoben, mit der ehrgeizigen Strauß-Tochter Monika Hohlmeier als Kultusstaatssekretärin unliebsame Konkurrenz platziert wurde. Und tatsächlich: 1998 ereilt Zehetmair das Schicksal von Maier: Sein Ressort wurde geteilt – Monika Hohlmeier wurde Schulministerin, aber anders als Maier fügte sich Zehetmair und blieb weitere fünf Jahre Wissenschaftsminister. 2003 verließ er die Landespolitik. Dadurch musste er im Kabinett Stoiber auch nicht die Hand zur Verkürzung des Gymnasiums (G8) heben – denn dass das ein Fehler war, hat er schon damals erkannt.
Über Hans Zehetmair ist viel kolportiert worden. Eine schwulenfeindliche Bemerkung bereute er später glaubhaft. Als Vorsitzender des Katholischen Männervereins von Tuntenhausen eckte er an. Es war auch eine andere Zeit. Als Vorsitzender des Rats der Rechtschreibung verantwortete er 2006 die Rechtschreibreform – wobei Zehetmair für sich in Anspruch nahm, manche „E-selei“ wie etwa unsinnige Ein-Buchstaben-Trennungen verhindert zu haben. „Wir verlieren einen der profiliertesten Bildungs- und Wissenschaftspolitiker Bayerns und ganz Deutschlands“, würdigte Ministerpräsident Markus Söder den Verstorbenen. „Er hat das Bildungsland Bayern nachhaltig geprägt.“ DIRK WALTER, HANS MORITZ