Gloria Gray könnte bald Bürgermeisterin sein

von Redaktion

56-jährige Transfrau gewinnt ersten Wahlgang in ihrer Heimatstadt Zwiesel

Zwiesel – Sie hat keine Sekunde geschlafen seit Sonntagabend. Seit klar ist, dass die Entertainerin, Schauspielerin, Buchautorin und Kreisrätin Gloria Gray, bürgerlich Gloria Gehring (56), bei der Bürgermeisterwahl in ihrer Heimatstadt Zwiesel mit 31,6 Prozent die meisten Stimmen auf sich vereinigen und sich gegen vier weitere Kandidaten durchsetzen konnte.

Am 11. Dezember geht es für die Parteilose in die Stichwahl gegen den SPD-Kandidaten Karl-Heinz Eppinger, der 26,9 Prozent holte. CSU-Kandidat Harald Haase schaffte 19,4. „Es ist unfassbar. Eine Sensation!“, jubelt das Multitalent, das über Jahrzehnte in München lebte, bevor sie 2010 in ihre Heimat, den Bayerischen Wald, zurückkehrte, um ihre Eltern zu pflegen. „Ich hatte gehofft, unter die ersten zwei in die Stichwahl zu kommen“, sagt Gloria Gray, „doch dass mir im ersten Wahlgang schon so viele die Stadt anvertrauen möchten, das haut mich um.“

Dabei gibt es eigentlich gar nichts, was die Transfrau noch umhauen könnte. In der 9179-Seelen-Gemeinde Zwiesel kam sie vor bald 57 Jahren als Bub einer Gastwirts-, Metzgers- und Viehhändlersfamilie zur Welt, empfand sich aber, seit sie denken kann, immer als Mädchen – und das im tiefsten Bayerischen Wald. Es gab Zeiten, da fühlte sich Gloria Gray im falschen Körper in der Provinz lebendig begraben. Am Tag nach der Gesellenprüfung zum Friseur verlässt Gloria Zwiesel Richtung München und erkämpft sich eine Geschlechtsanpassung zur Frau, die Hormonbehandlungen und viele Operationen nach sich zieht, für sie aber der einzig denkbare Weg war. Erst 27 Jahre später kehrte Gloria als Frau wieder nach Zwiesel zurück.

Seither bringt sie frischen Wind in die Kleinstadt. „Das war auch so ein Wunder in diesem Wahlkampf – es gab keine einzige negative Erfahrung. Weder durch die anderen Kandidaten noch über das Internet“, sagt Gloria Gray, „es war ein total fairer Wahlkampf – von Toleranz und gegenseitiger Akzeptanz getragen, einfach vorbildlich.“ Für Gray ist ihr insgesamt dritter Anlauf fürs Bürgermeisteramt schon jetzt ein Sieg. „Dabei habe ich gar keinen Wahlkampf im klassischen Sinne geführt: Ich habe kein einziges Plakat geklebt, ich bin nur unter die Leut’ gegangen und habe mich an Podiums- oder Stammtisch-Diskussionen beteiligt“, sagt sie. „In der Stichwahl könnte Zwiesel jetzt Geschichte schreiben.“

Gray will Gesicht und Seele der Stadt werden – erst einmal mit kleinen Veränderungen, die die verschuldete Stadt lebens- und liebenswerter machen. „Von Wahlversprechen halte ich nicht viel – ich bin eine Person der Tat“, sagt sie. Sie will die Lebensqualität erst einmal über eine vielfältigere Kulturszene steigern. Außerdem soll das Bushäusl am Stadtplatz zum schönsten im Bayerischen Wald werden, bequeme Sitzbänke für die älteren Leut hat sie im Sinn und einen Streichelzoo für Kinder im Stadtpark. ULRIKE SCHMIDT

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