München – In unserer Adventsserie geht es um die Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung. Diesmal haben wir Rosemarie und Herrmann Daschner in München besucht. Als sich das Paar 1957 ewige Treue verspricht, sind gerade mal zwölf Menschen anwesend. Einige von ihnen bezweifeln sehr, dass die Ehe hält. Immerhin ist die Braut erst 16 Jahre alt. Doch die Daschners halten seit 65 Jahren zusammen – und feiern nun Eiserne Hochzeit. Im Interview sprechen Rosemarie (81) und Herrmann (88) Daschner über Höhen und Tiefen ihrer Liebe – und erklären, warum die berühmten drei Worte für ihr Glück gar nicht so wichtig sind.
Was ist Ihr Geheimrezept für 65 Jahre Eheglück?
Herrmann: Ein bisserl mögen muss man sich schon. Und Humor braucht’s auch. (lacht)
Rosemarie: Und je älter man wird, desto gütiger sollte man miteinander umgehen. Ehrlichkeit und Respekt stehen an erster Stelle.
Frau Daschner, wie hat Ihr Mann Ihr Herz erobert?
Rosemarie: Das war 1956. Ich habe davor für Dunkelhaarige geschwärmt, aber Herrmann war blond. Wir haben uns auf einer Hochzeit kennengelernt. Er war damals 22 und hat bei Siemens gearbeitet. Das hat mir als 15-Jährige imponiert. Er hat viel geredet, über Adenauer und Politik, und ich habe ihm gerne gelauscht. So ist das bis heute.
Wie ging die Liebes- geschichte dann weiter?
Rosemarie: Wir waren noch nicht lange zusammen, da dachte ich, ich sei schwanger. Ein Arzt bestätigte das. Ich war da gerade mal 16 und wilde Ehen gab’s ja nicht. Also mussten wir heiraten, weil man ohne Trauschein nicht zusammenwohnen durfte. Herrmann: Ich war ja anfangs verliebter in sie, als sie in mich. Für mich war sie eine Frau zum Heiraten. Daher war ich pragmatisch und sagte: Ist doch egal, ob jetzt oder später – wir heiraten sowieso.
Die Schwangerschaft war ein Fehlalarm. Haben Sie die Heirat je bereut?
Herrmann: Nie. Wir haben allen Zweiflern bewiesen, dass wir zusammengehören. Viele befreundete Paare haben sich getrennt. Aber wir beide feiern jetzt Eiserne Hochzeit. Rose war immer eine fleißige Frau und hätte ihr Leben auch allein bestritten. Mit 50 war sie zum Beispiel plötzlich Studentin – das fand ich toll!
Und Sie, Frau Daschner?
Rosemarie: Ebenfalls nicht. Ich habe Herrmann immer hoch angerechnet, dass er mich nicht sitzen hat lassen, als wir dachten, ich sei schwanger. Unser erstes Kind kam erst zwei Jahre nach der Hochzeit zur Welt. Ich konnte meine Ausbildung also fertigmachen und arbeiten. Auch später habe ich mich weitergebildet und als Verkäuferin und Sekretärin neben Haushalt und den Kindern gearbeitet. Unsere Eigentumswohnung haben wir uns gemeinsam erarbeitet.
Wie hat sich Ihre Liebe zueinander verändert?
Rosemarie: Anfangs ist man „nur“ verliebt. Die Liebe ist noch kein zentrales Thema. Man turtelt und will jede Sekunde zusammen sein. Das wertvolle Gefühl Liebe ist bei mir erst mit den Kindern gekommen. Das Gefühl, das ich hatte, als wir unser erstes Kind zum ersten Mal gebadet haben, war unbeschreiblich. Herrmann: Wenn aus Unbeschwertheit im positiven Sinne ein Pflichtgefühl wird, dann ist es echte Liebe.
Wann haben Sie im Alltag bewusst geliebt?
Rosemarie: Als unsere drei Kinder noch klein waren, bin ich einmal spätabends heimgekommen. In der Küche standen alle vier vor einem Topf. Herrmann kochte auf Wunsch viereckige Knödl – wegen ihrer Form konnten die aber nicht schwimmen. Da wurde mir bewusst: Was für ein liebevoller Mann! Auf ihn war Verlass und er hat sich immer genauso um die Kinder gekümmert wie ich. Herrmann: Ich bin damals auch mal mit den Kindern verreist. Damit waren wir modern. Wir haben versucht, uns Freiräume zu geben. Rose sollte nicht am Herd verhaftet sein, obwohl ich arbeiten war und sie bei den Kindern blieb. Keiner musste um Erlaubnis für Freiraum bitten.
Wie zeigen Sie sich Ihre Liebe heute?
Herrmann: Bei uns passiert Liebe ohne Worte. Wir reiben uns den Rücken gegenseitig mit Öl ein. Und ich lasse Rose oft stundenlang an ihren Fotobüchern arbeiten und koche währenddessen. Rosemarie: Das stimmt und ist immer wieder besonders. Er imitiert ja Schuhbeck! In den Salat kommt ein Schluck Weißwein und auf den Teller das, was ich gerne esse. Gemüse und Sauerkraut. Unsere Liebe geht durch den Magen.
Was ist der größte Liebestöter für Sie?
Rosemarie: Unpünktlichkeit! Und die konnte ich Herrmann nie austreiben. Er trödelt gerne und kalkuliert nie Fahrtwege ein. Wenn wir um 18 Uhr eingeladen sind, steigt er um 18 Uhr in die U-Bahn. Herrmann: Unpünktlichkeit stört nur die Wartenden…
Wie oft sagen Sie „Ich liebe dich“ zueinander?
Rosemarie: Eigentlich nie. Wir machen Komplimente. Ich sage Herrmann, wenn er gut gekocht hat. Er sagt mir, wenn ihm meine Frisur gefällt. Je sparsamer man mit Liebesbekundungen umgeht, desto aufrichtiger sind sie. Herrmann: Wir halten nichts von Floskeln. Entschuldigung sagen wir auch selten.
Weil Sie nicht streiten?
Herrmann: Wir streiten so, dass wir das am nächsten Tag beim Aufstehen meist schon wieder vergessen haben. Wir kränken uns nicht und niemals fallen Schimpfwörter. Rosemarie: Wenn jemand sagt, dass ein Satz wehgetan hat, besprechen wir das und der andere schaut, dass er sich bessert. Herrmann ist versöhnlich und ich bin nicht nachtragend – das hilft. (lacht)
Haben Sie jemals an Scheidung gedacht?
Herrmann: So sehr hat es nie gekriselt. Als junge Frau war Rose aber impulsiv, da sind schon mal Türen geflogen. Rosemarie: Vielleicht habe ich ein-, zweimal gedroht, dass ich davonlaufe. Aber ich erinnere mich nicht mehr – so schlimm kann der Grund also nicht gewesen sein. (lacht)
Was hält Liebe lebendig?
Herrmann: Wir gehen nach wie vor gerne ins Theater und auf Reisen. Das tut uns gut. Unsere Hochzeitsreise haben wir 2018 auf Kuba nachgeholt. Zu unserem 65-jährigen Hochzeitstag will Rose ins Prinzregententheater gehen. Rosemarie: Solche Erinnerungen sind Wärmflaschen fürs Herz. Bilder von unseren Reisen schauen wir immer wieder gerne an. Und wenn wir im Urlaub am Strand spazieren gehen, bin ich so verliebt wie im ersten Honigmond.
Sie haben drei Kinder, sechs Enkel und sechs Urenkel: Welchen Rat geben Sie ihnen in Sachen Liebe?
Herrmann: Zu einer guten Ehe gehören Liebe und Verstand. Und dem anderen von Herzen etwas gönnen zu können.
Rosemarie: Liebe vermehrt sich. Je mehr man gibt, desto mehr bekommt man zurück. Dafür muss man aber tatkräftig sein. Auch Pflichtbewusstsein spielt eine wichtige Rolle – und sich gegenseitig gerne Zeit zu schenken.
Interview: Cornelia Schramm