„Ich will auch Respekt ernten“

von Redaktion

Luitpold Grabmeyer ist Krampus – er verrät, warum ihn die Nikolaus-Rolle viel weniger reizt

Miesbach – Bevor er frei reden kann, muss Luitpold Grabmeyer in ein anderes Zimmer wechseln – seine siebenjährige Tochter soll schließlich nicht mitbekommen, dass jetzt gleich die dunkle Seite des Vaters spricht: Der 41-Jährige ist seit über 20 Jahren Krampus in Miesbach. Mit Fellmütze und -jacke, Bart und schwarzem Gesicht, Rute und Rasselkette besucht er am 5. und 6. Dezember Kinder und deren Familien – natürlich immer mit seinem milden Gefährten, dem Nikolaus.

Im wahren Leben sind Sie Kundenbetreuer bei der Sparkasse. Wie kamen Sie denn zu dem Nebenjob?

Meine Mutter stammt aus dem Berchtesgadener Land, aus Markt Schellenberg. Dort haben Nikolaus und Krampus große Tradition. Ich selber war schon als junger Kerl in der Kolpingjugend aktiv und wurde irgendwann gefragt, ob ich den Krampus mache. Natürlich hatte ich Lust – und daraus ist eine Liebe entstanden. Für mich ist das ein bewusster Start in die Adventszeit und ich helfe mit, die bayerischen Traditionen hochzuhalten. Und nicht zuletzt tun wir mit unseren Besuchen auch etwas Gutes: Das eingesammelte Geld wird gespendet an Bedürftige im Landkreis.

Wie würden Sie jemandem Ihr Alter Ego beschreiben?

Als furchteinflößende Figur, die sich nicht als nachhaltig Böses einbrennen soll, sondern von den Kindern als Teil des Ganzen gesehen wird. Ich will ein schönes Bild erzeugen – aber ich will auch Respekt ernten. Schließlich prangert der Nikolaus auch die ein oder andere Schandtat an. Der Krampus vermittelt den Kindern: Pass auf, ich sehe dich. Achte einfach darauf, dass deine nicht so guten Taten nicht überhandnehmen.

Bei Ihren Hausbesuchen drehen Sie vermutlich ganz schön auf.

Ich sorge einfach dafür, dass Ruhe ist. Da brumme ich schon mal, rassle mit der Kette oder haue mir selber mit der Rute an den Fuß.

Dann schauen Sie in verängstigte Kinderaugen?

Natürlich gibt es Kinder, die eher vorsichtig sind. Dann halte ich mich eben ein bisschen im Hintergrund. Andere sind mutiger, denen kann ich mich eher zeigen. Das Gespür dafür lernt man mit den Jahren. Es soll für die ganze Familie ein schöner Abend sein. Wir haben auch einen Engel dabei, das Gute überwiegt sozusagen (lacht).

Können Sie sich noch an den Krampus Ihrer eigenen Kindheit erinnern?

Und wie! Bei uns in Markt Schellenberg kamen 15 Krampusse, mit ganz tollen Masken und in Stroh eingehüllt. Einen Heidenrespekt hatte ich! Ich habe wirklich hingefiebert auf diesen Abend. Später, in Miesbach, war das auch noch so. Da war meine Oma der Nikolaus. Das sind Kindheitserinnerungen, an dich ich heute noch gern zurückdenke. Das hält ein Leben lang.

Inzwischen können Sie selbst auf eine stattliche Krampus-Karriere zurückschauen.

Ich kann mich an einen furchtbaren Schneesturm erinnern. Da mussten der Nikolaus und ich das Auto anschieben, weil wir stecken geblieben waren. Aber wir haben an diesem Abend mit einiger Verspätung noch alle Kinder besuchen können. Solche Erlebnisse schweißen zusammen.

Sind Sie manchmal neidisch auf ihren Nikolausgefährten?

Überhaupt nicht! In der Corona-Zeit durften wir nicht als Gruppe zu den Familien, wegen der Ansteckungsgefahr. Wir teilten uns auf, da bin ich mal einen Tag als Nikolaus unterwegs gewesen. Das ist natürlich etwas anderes, aber ich bin ganz gern mit meinem Partner zusammen. Ich finde es schön, wenn wir gemeinsam gehen. Er als Nikolaus, ich als Krampus.

Kennen Ihre Kinder denn das Doppelleben ihres Vaters?

Mein Sohn ist elf. Er glaubt schon nicht mehr an den Nikolaus, was ich sehr schade finde. Er lässt aber immerhin seine Schwester noch im Glauben, dass Nikolaus und Krampus existieren. Wir werden das so lange machen, wie es funktioniert. Unser eigenes Nikolausfest feiern wir natürlich gemeinsam als Familie. Ich schminke mich nach den Besuchen ab und ziehe mich um. Und kurze Zeit später klopfen der Nikolaus und ein anderer Krampus-Kollege. So kann ich den Abend mit meiner Familie verbringen – als Vater, nicht als Krampus.

Hoffen wir, dass das noch lange so bleibt!

Eines habe ich mir fest vorgenommen: Im letzten Jahr, in dem meine Tochter noch an den Nikolaus glaubt, mache ich selbst den Krampus. Und am Ende lege ich die Verkleidung dann vor ihren Augen ab.

Interview: Tina Schneider-Rading

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