Rettungsmission mit Gegenwind

von Redaktion

VON KATRIN WOITSCH

Regensburg – Es wird keine einfache Mission werden. Das wissen alle, die in dieser Woche an Bord der Sea-Eye 4 gehen. Trotzdem sind sie froh, dass das Schiff starten kann. Denn fast täglich legen an der libyschen Küste überfüllte Flüchtlingsboote ab – viele von ihnen kommen nie in Europa an. Die Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye ist seit Jahren im Mittelmeer unterwegs, um die Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Das war nie einfach, aber es wird von Jahr zu Jahr schwieriger.

Ein Grund dafür ist, dass eine Mission sehr teuer ist. „Wir brauchen 3,2 Millionen Euro, um sieben Missionen im Jahr finanzieren zu können“, sagt der Sea-Eye-Vorsitzende Gorden Isler, Die Spenden sind aber zurückgegangen – sicher auch deshalb, weil es gerade so viele Krisen auf der Welt gibt, glaubt Isler. „Viele unterstützen gerade zu Recht Menschen in der Ukraine, im Iran oder Afghanistan mit ihren Spenden.“ Und viele haben schlichtweg nicht mehr so viel Geld übrig, um die Arbeit der Seenotretter zu unterstützen. Sea-Eye musste deshalb mit einer Mission weniger planen in diesem Jahr.

Aber das Geld ist nicht das einzige Problem, mit dem die Hilfsorganisation zu kämpfen hat. Die Fluchtbewegungen nehmen zu. „Obwohl die europäischen Grenzen immer rigoroser abgeschottet werden“, sagt Isler. Den Regierungswechsel in Italien werden die Ehrenamtlichen bei der aktuellen Mission spüren, fürchtet er. Dabei war es auch in den letzten Jahren schon schwer, einen sicheren Hafen zu finden, in dem gerettete Migranten von Bord gehen konnten. Oft mussten die Schiffe der Hilfsorganisationen tagelang ausharren, bevor die Menschen von Bord gehen durften. Italiens neue rechtskonservative Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte bereits einen harten Kurs gegen Migranten und Seenotretter angekündigt. „Was in den Häfen passiert ist völkerrechtswidrig“, betont Isler. „Es kann nicht sein, dass Politiker oder Beamte der Grenzschutzagentur Frontex entscheiden, wer hilfsbedürftig ist und Asyl beantragen darf.“

Isler rechnet damit, dass auf die Crew eine harte Mission zukommt. „Aber das ist nicht neu für uns“, sagt er. „Wir sind darauf vorbereitet, an Bord sind erfahrene Leute.“ Viele von ihnen haben bereits mehrere Missionen hinter sich.

Einer von ihnen ist der Grünen-Landtagsabgeordnete und BRR-Vizepräsident Andreas Krahl aus Murnau. Er ist ausgebildeter Krankenpfleger und Rettungssanitäter – in dieser Rolle wird er auch auf der Sea-Eye 4 dabei sein, betont er. Er will helfen – ganz unmittelbar, nicht vom Schreibtisch aus. Sea-Eye hatte ihn vergangenes Jahr gefragt, ob er als parlamentarischer Beobachter auf einer Mission dabei sein würde. „Ich wollte aber nicht zuschauen“, sagt Krahl. „Ich will lieber tun, was ich gelernt habe.“ Dass er auch im Bayerischen Landtag sitzt, will er auf dem Schiff nicht thematisieren. „Ich bin Sanitäter“, sagt er. „Ich möchte keine Sonderbehandlung.“

Natürlich kennt der 33-Jährige die politischen Debatten über die Seenotrettung aber gut genug, um zu wissen, worauf er sich einlässt. Geplant ist, dass er über Weihnachten bis Jahresende auf dem Schiff unterwegs sein wird. Bei seiner Mission im vergangenen Jahr durfte das Schiff den Hafen in Sizilien aber zehn Tage lang nicht verlassen. Es ist also unklar, wie lange der Einsatz wirklich dauern wird. „Es ist meine feste Überzeugung, dass diese Schiffe fahren müssen“, betont Krahl. Darüber will er auch mit Gegnern der Seenotrettung nicht diskutieren. „Wir sollten aber darüber sprechen, wie Italien mit den Schiffen der Hilfsorganisationen umgeht“ – das sagt er auch als Politiker.

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