Wenn der Zug nur 20 km/h fährt

von Redaktion

Die Bahn kommt mit der Reparatur ihrer Strecken kaum hinterher

München – Bahnreisende merken es meist nur dann, wenn der Zugbegleiter eine Durchsage macht. Die klingt dann sinngemäß in etwa so: Sehr geehrte Reisende, unser Zug darf jetzt einen Kilometer lang nur 20 km/h fahren – es gibt eine Langsamfahrstelle. So hört man es derzeit zum Beispiel im BRB-Meridian auf der Fahrt nach München zwischen Grafing und Kirchseeon. Wer mit der BRB von Holzkirchen nach München fährt, der hörte die Durchsage vergangene Woche auch. Gleich an drei Stellen musste der Zug runterbremsen.

Das ärgert auch die Unternehmen. „Wir haben derzeit mit je drei Langsamfahrstellen stadtein- und -auswärts zu kämpfen“, berichtet Unternehmenssprecherin Sabine Floßmann über die Situation bei Holzkirchen. Lange Verspätungen von 30 Minuten und mehr waren die Folge. Immerhin: Am heutigen Montag sollen die Langsamfahrstellen wieder beseitigt sein.

Dass Langsamfahrstellen in einer sogenannte Tages-La fast täglich neu für die Lokführer zusammengestellt werden und dieser Bericht allein für Süddeutschland stattliche Umfänge angenommen hat, erfuhr die Öffentlichkeit Ende Juni durch einen Report in unserer Zeitung. Denn nach dem Bahnunglück von Burgrain bei Garmisch-Partenkirchen hatte sich die Bahn auf die Suche nach maroden Streckenabschnitten gemacht. Sie wurde oft fündig. Allein auf der Unglücksstrecke München-Pasing bis Oberau wurden in den Tagen und Wochen nach dem Unglück mit fünf Toten fünf Langsamfahrstellen wegen Mängeln am Gleis angeordnet. An einer Stelle, bei Gauting, durfte der Zug der Werdenfelsbahn nur noch 20 km/h fahren.

Mittlerweile sind diese Schäden im Großen und Ganzen beseitigt. Alles gut also bei der Bahn? Mitnichten. Denn der Bericht der DB Netz, der den schönen Untertitel „Zusammenstellung der vorübergehenden Langsamfahrstellen und anderen Besonderheiten“ trägt, ist trotz der Sanierung im Werdenfelsnetz noch länger geworden. Die Fassung vom Freitag, 2. Dezember, hat 171 Seiten – Ende Juni waren es 150 Seiten.

Auf zahlreichen Strecken sind in den vergangenen Wochen und Monaten weitere Mängel identifiziert und im Tagesbericht eingetragen worden. Hier Beispiele:

. München-Mühldorf: Wegen Oberbaumangel hat die Bahn zwei Langsamfahrstellen angeordnet. Der Zug darf zwischen Thann-Matzbach und Dorfen sowie Dorfen-Schwindegg nur 70 fahren. Hinzu kommt ein Brückenschaden bei Weidenbach. Hier ist Tempo 50 angeordnet. Verspätungen sind derzeit die Regel. Auf der eingleisigen Strecke ist das problematisch, weil Gegenzüge in den Bahnhöfen warten müssen.

. Tutzing-Kochel: Gleich fünf Langsamfahrstellen wurden eingerichtet, die letzte erst am 11. November bei Bichl. Auf 20 km/h muss der Zug hier runterbremsen.

. Bad Tölz-Schaftlach: Die BRB muss gleich zweimal auf Tempo 70 drosseln. Die Langsam-Fahrabschnitte bestehen seit 25. August und 16. September.

. Landshut-Mühldorf: Auch hier wird der Zug durch Oberbaumangel bei Kirchweidach zwei Mal auf Tempo 70 gebremst.

. Freilassing-Berchtesgaden: Sowieso eine Bummelstrecke, geht es hier seit 14. Juni zwischen Bayerisch Gmain und Hallthurm auf 600 Meter nur mit 20 voran.

Die Liste ließe sich fortsetzen: Die Bahn hat auf der Werdenfelsstrecke bei Wilzhofen Ende November erneut eine Tempo-Beschränkung angeordnet, obwohl die Stelle eigentlich als saniert galt. Sogar im S-Bahn-Netz (S2 bei Schwabhausen) gibt es seit Anfang Oktober eine marode Stelle. Und zwischen Murnau und Oberammergau wurden am 15. November gleich fünf Langsamfahrstellen identifiziert. Aber auf der Strecke fährt bis mindestens kommenden Samstag ohnehin nur Schienenersatzverkehr – ein Bus.  dw

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