München – „Das haben wir leider nicht vorrätig.“ Diesen Satz müssen Apotheker in diesen Tagen oft, sehr oft sagen. Gerade herrscht ein Engpass bei Medikamenten, den fast jeder spürt, der gerade krank ist. Und das sind viele. „Wir haben eine extrem starke Erkältungs- und Grippewelle – ganz erstaunlich sind die vielen Kindererkrankungen“, sagt Apotheker Stefan Hartmann aus Gilching im Kreis Starnberg. Und ausgerechnet jetzt mangelt es an Medizin: „Es ist so schlimm wie noch nie“, sagt er.
Er betreibt nicht nur vier Apotheken, sondern ist auch Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Apothekenkooperationen. Es fehlen, so Hartmann, Medikamente in allen Bereichen, mehr als 400 Standardpräparate seien nicht lieferbar. „Ob das Antibiotika sind, Nurofen-Fiebersaft für Kinder, Halsschmerztabletten, Antidepressiva oder onkologische Präparate für Krebspatienten.“ Besonders dramatisch sei es, wenn Therapien nicht eingehalten werden können, zum Beispiel bei einer Krebserkrankung oder bei Depressionen. So schlimm wie nie, sagt er. „Ob wir das Ende der Fahnenstange erreicht haben, wage ich zu bezweifeln.“
Denn das Problem ist: Die Lieferengpässe kommen auch daher, dass in Deutschland inzwischen keine Medikamente mehr hergestellt werden – sie kommen aus China und Indien. Auch wenn manche Gesundheitspolitiker die Parole ausgeben, die Produktion wieder nach Deutschland zu holen, erklärt Stefan Hartmann: „Das ist gar nicht möglich.“ Zu hohe Auflagen, zu hohe Produktionskosten.
Auch beim Bayerischen Apothekerverband sieht man den aktuellen Lieferengpass kritisch. Sprecher Thomas Metz weist darauf hin, dass es in den vergangenen Jahren immer mal wieder Schwierigkeiten gab. Metz sagt aber auch: „Für jeden einzelnen Patienten ist es natürlich schlimm, wenn er sein Medikament gar nicht oder erst bekommt, wenn er drei, vier Apotheken abgeklappert hat.“
Lieferengpässe bedeuten auch für die Apotheker viel zusätzliche Arbeit. Im Schnitt, das ergab eine Umfrage, verbringen Apothekenmitarbeiter fünf Stunden in der Woche nur damit, die Medizin irgendwo aufzutreiben oder nach alternativen Medikamenten zu suchen. Von einem Verbandsmitglied kennt Thomas Metz die Geschichte, dass er für einen Krebskranken ein einzelnes Medikament in Kanada bestellt hat.
Besonders besorgt sind viele Eltern kranker Kinder. Denn auch Fiebersäfte für die Kleinen sind gerade schwer zu bekommen. Eines vorab: Nicht immer muss ein fiebersenkendes Medikament sein. „Wenn es dem Kind so weit gut geht, ist das kein Muss“, sagt Kinderarzt Jakob Maske vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Denn Fieber sei prinzipiell erst mal nicht schlimm, sondern eine normale Abwehrreaktion des Körpers auf eine Infektion. Wenn sich der Allgemeinzustand des Kindes verschlechtert, schaffen fiebersenkende Mittel mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen aber Linderung. Gibt es den Fiebersaft nicht, könne es sinnvoll sein, auf Zäpfchen oder Tabletten umzusteigen. Wer Glück hat, hat in der Nachbarschaft eine Apotheke, die selbst Fiebersäfte mit Ibuprofen oder Paracetamol herstellt. Das Gesetz schreibt vor, dass jede Apotheke ein Labor haben muss, sagt Thomas Metz.
Stefan Hartmann bietet das in seinen Apotheken an. Und er hat zudem seine Logistik umgestellt. „Wenn wir was bekommen, dann bestellen wir gleich zehn davon – damit sind die Warenlager natürlich voll“, sagt er. Das sei ein betriebswirtschaftliches Risiko. Im Moment bleibt er wohl nicht darauf sitzen. (mit dpa)
Viele Apotheken mischen Medizin selbst an