Justizminister: Kirche fehlt Mitgefühl

von Redaktion

VON CLAUDIA MÖLLERS

München – Das Urteil des bayerischen Justizministers Georg Eisenreich (CSU) über die Missbrauchs-Aufarbeitung der katholische Kirche ist gnadenlos: „Die Kirche hat im Umgang mit Grenzüberschreitungen und Straftaten in der Vergangenheit schwere Fehler gemacht, bei der Aufarbeitung lange auch systemisch versagt und geht mit den Opfern zum Teil bis heute nicht angemessen um. Das muss sich ändern.“

Vor dem Rechtsausschuss des Landtags in München hat Eisenreich gestern diese bittere Bilanz gezogen. Die Fraktion der Grünen hatte ihn – wie berichtet – vor den Ausschuss geladen, um über die Strafverfolgung dieser Missbrauchsfälle zu berichten. Die Grünen beklagen ein Versagen des Staates, weil die Staatsanwaltschaften viel zu spät ermittelt hätten. Die CSU habe kein gesteigertes Interesse an einer Aufklärung. „In Bayern steht niemand über dem Gesetz: Kein Politiker, kein Geistlicher, auch kein Wirtschaftsführer“, erwiderte Eisenreich. „Die Staatsanwaltschaften haben die klare Verpflichtung, dass sie ermitteln müssen, wenn sie von Straftaten erfahren – und das tun sie auch, und zwar mit großer Entschlossenheit.“ Allerdings schränkte er ein: „Seit 2018“. Vorher, so räumte er ein, habe es Versäumnisse gegeben.

So hätten sich die Staatsanwaltschaften bereits bei Vorlage des ersten Münchner Gutachtens 2010 und der bundesweiten MHG-Studie 2018 die Akten aushändigen lassen müssen. Das war zu Amtszeiten seiner Vorgänger Beate Merk und Winfried Bausback. „Warum die Staatsanwaltschaften die Gutachten nicht angefordert haben, lässt sich heute nicht mehr sagen“, so Eisenreich.

Eine Feststellung, die Toni Schuberl (Grüne), als skandalös bezeichnete. Er forderte, dass das „Fehlverhalten der Staatsregierung und der Staatsanwaltschaft in den vergangenen Jahrzehnten“ aufgeklärt werden müsse. Eisenreich führte aber aus, dass das „Nichteinholen“ der Gutachten in keinem Fall zur Verjährung von Straftaten geführt habe. Derzeit würden von den Staatsanwälten aus dem Münchner Gutachten von 2022 noch 39 Vorermittlungs- und sechs Ermittlungsverfahren geführt. Die Verfahren seien weit fortgeschritten. Die Staatsanwaltschaft werde gesondert über die Ergebnisse berichten. Dabei geht es auch um die Rolle von Aufsichtspersonen. Hier sieht Eisenreich eine Lücke im Bundesgesetz, weil Beihilfe oft nicht nachgewiesen werden könne. Bei den Missbrauchsfällen geht es gerade auch um die Rolle von Vorgesetzten, die durch die Vertuschung weiteren Missbrauch möglich gemacht haben könnten.

Ausdrücklich bemängelte der Justizminister den Umgang der Kirche mit Betroffenen. „Ich erwarte, dass die Kirche stärker auf die Betroffenen zugeht.“ Mit den Opfern müsse empathischer umgegangen werden. Als Privatmann, nicht als Minister, sprach sich Eisenreich für angemessenere Entschädigung der Betroffenen aus. Derzeit prüfen Gerichte, ob die bisher gezahlten Summen ausreichen. „Aus meiner Sicht halte ich höhere Zahlungen für angemessen.“ Die Bewertung liege aber bei den Gerichten. Ebenfalls als Abgeordneter erklärte Eisenreich, er habe Sympathien für die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle, um die Betroffenen besser persönlich, psychologisch und rechtlich zu beraten. Dafür sei er aber nicht zuständig.

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