Vision 2030: Jede achte Autofahrt soll entfallen

von Redaktion

VON DIRK WALTER

München – Schöne Vision, schnöde Wirklichkeit: Bayerns Bahnen, jeder Fahrgast weiß es, leidet unter einer Vielzahl von Problemen. Langsamfahrstellen, defekte Signale, Zugstörungen – irgendetwas ist immer.

Im bayerischen Verkehrsministerium stellte Minister Bernreiter am Donnerstag die „ÖPNV-Strategie 2030“ vor, die zeigen soll, wie es einmal sein sollte. Ein „Zukunftsrat“, dem Landräte, Bürgermeister, aber auch der MVV- und der MVG-Chef angehören, hat die Strategie entwickelt. Bernreiter wünscht sich einen „erstklassigen ÖPNV“, der „eine echte Alternative zum Auto“ sein soll. Ganz Bayern soll in Verkehrsverbünden organisiert sein – momentan sind es 47 Landkreise und damit mehr als die Hälfte nicht. Mit einer bayernweiten App soll der Fahrgast überall Tickets aller Art kaufen können – heute gibt es allein für den Münchner Großraum mindestens drei. Vor allem aber sollen Schiene und Bus ausgebaut werden. So soll bis 2030 (im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019) jede achte Autofahrt entfallen und die ÖPNV-Nutzung verdoppelt werden.

Genau genommen ist allerdings nicht eine Verdoppelung der Zahl der Fahrgäste, sondern der Personenkilometer, kurz Pkm, geplant. Das ist die addierte Zahl der Kilometer, die alle Fahrgäste mit dem ÖPNV zurücklegen.

Beispiel: Fahren zehn Fahrgäste zehn Kilometer mit einer S-Bahn, ergibt das 100 Pkm. In Bayern gab es 2019 beim ÖPNV 16,1 Milliarden Pkm, mit dem Auto 129,3 Milliarden. Die Zielmarke bis 2030 sind 32,2 Milliarden Pkm mit dem ÖPNV, nur noch 113,2 Milliarden Pkm sollen es mit dem Auto sein.

Ob die Rechnung aufgeht? Die Münchner S-Bahn, die 2019 von rund 800 000 Fahrgästen täglich genutzt wurde, steckt in der Ausbaukrise. Der zweite Stammstreckentunnel wird erst in den 2030er-Jahren fertig, andere ambitionierte Projekte wie etwa der Erdinger Ringschluss nicht viel früher. Der Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß, als Sprecher der MVV-Landkreise bei der Vorstellung der ÖPNV-Vision dabei, nennt die Qualität der S-Bahn problematisch. Dennoch: Beim Ausbau gerate etwas „in Bewegung“, es werde mehr Takte geben und das MVV-Gebiet könne sich letztlich um zehn Landkreise „von Landshut über Rosenheim bis hin nach Weilheim und Garmisch-Partenkirchen“ erweitern.

Reicht das für die Verdoppelung? „Verdoppelung bedeutet ja nicht, dass wir an jedem Ort verdoppeln wollen“, sagte Bernreiter. Er setzt auf den ländlichen Raum, wo es einen ordentlichen Ausbauschub geben soll. Dabei spielen Busse eine große Rolle. Statt heute 13 000 Busse sollen 2030 im öffentlichen Nahverkehr 20 000 Busse unterwegs sein. 2040 sollen sie alle statt Diesel- einen E- oder Wasserstoff-Antrieb haben. Jährlich wird der Kauf von 400 dieser Fahrzeuge vom Freistaat bezuschusst, später sollen die Busunternehmen diese selber beschaffen. Bernreiter hofft, dass Busse auf dem Land das dünne Bahnnetz ergänzen. Es gelte, „landesbedeutsame“ Buslinien von zehn bis 100 Kilometern Länge zu schaffen. 70 Linien bis 2030 sollen es werden.

So konkret wie das Bus-Kapitel ist das zum Ausbau der Schiene nicht – die „Erhöhung der Leistungsfähigkeit des SPNV-Netzes“ soll „an erster Stelle“ stehen, heißt es dort. „Zudem ist eine Ertüchtigung der Schieneninfrastruktur in der Fläche erforderlich.“ Einzelne Projekte oder Jahreszahlen der Fertigstellung sind im Bahn-Kapitel nicht enthalten.

ÖPNV-Nutzung verdoppeln – aber was heißt das?

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