Gilching – Autos und Motoren waren sein Leben. Ein schwerer Autounfall vor 17 Jahren nachts auf der Autobahn nahe Frankfurt am Main brachte Stefan Laußer, damals 30 Jahre alt, den Tod. Ein Sekundenschlaf nach einem anstrengenden Tag auf der Automesse, Stefan raste mit seinem Auto unter einen Lkw.
Den Verlust haben sein Vater Xaver Laußer (77) und seine Mutter Roswitha (78) aus Gilching im Kreis Starnberg bis heute nicht verwunden. Zur Bewältigung ihrer Trauer habe es ihnen aber sehr geholfen, dass die Organe von Stefan sieben Menschen ein Weiterleben ermöglichten, sagt Xaver Laußer. „Wir waren sehr stolz auf Stefan, er war schon in jungen Jahren sehr erfolgreich“, sagt sein Vater. Stefan lernte Mechatroniker bei Mercedes Benz in München, machte den Meister und den technischen Betriebswirt und war dann für die Luxuslimousinen zuständig, später dann für die Prachtautos von Maybach.
Privat war Stefan reiselustig und engagiert, ein begeisterter Bergsteiger, Schütze und Motorradfahrer. Heuer wäre er 47 Jahre alt. Wer weiß, was er inzwischen alles auf die Beine gestellt hätte. Hätte es nicht vor 17 Jahren diesen schrecklichen Unfall gegeben. „Es war der 16. September 2005, als es nachts um 3 Uhr bei uns an der Türe Sturm klingelte“, erinnert sich der Vater, als wäre es gestern gewesen: Er öffnete und draußen standen drei Polizisten. „Die haben erst einmal nach Luft gerungen und dann haben sie mir mitgeteilt, dass der Stefan einen schweren Unfall hatte und in der Uniklinik in Frankfurt liegt.“
Der Sohn lag im Koma. Vater, Mutter und die zwei Geschwister bangten. Tag für Tag schwand die Hoffnung, dass er wieder aufwachen würde. Xaver Laußer erzählt: „Eines Tages zeigte mir der Chefarzt ein Röntgenbild von Stefans Gehirn, und es war weiß und mir war klar, dass es tot ist.“ Da habe er an den Organspendeausweis erinnert. Ein paar Tage lang wurde Stefan noch beatmet, damit die Organe den Restnarkosestoff abbauen konnten. Am 1. Oktober war es dann so weit: „Drei Ärzte stellten unabhängig voneinander Stefans Tod fest“, sagt der Vater.
Die Organe, die gebraucht werden konnten, wurden entnommen. Welche genau und wer sie bekam, das erfuhren die Eltern ein paar Wochen später in einem Brief der Deutschen Stiftung Organtransplantation: das Herz, die Nieren, die Leber, die Bauchspeicheldrüse und die Hornhaut der Augen.
Je eine Niere erhielten ein Mann und eine Frau, deren eigene Nieren wegen Diabetes beziehungsweise einer chronischen Nierenerkrankung so stark geschädigt waren, dass sie seit Jahren auf Dialyse angewiesen waren.
Die Hornhäute schenkten zwei erblindeten Menschen das Augenlicht wieder. Die Bauchspeicheldrüse wurde auch gespendet, aber die Laußers wissen nicht an wen. Die Leber erhielt eine 34-Jährige, deren eigene Leber aufgrund einer virusbedingten Leberzirrhose zerstört war. Das Herz erhielt ein 1955 geborener Mann mit einer Herzmuskelschwäche. Weiter steht in dem Schreiben: „Ihr Sohn hat somit sieben Patienten ein neues Leben geschenkt. Ich hoffe und wünsche, dass das Glück und das Leben der Empfänger Ihnen ein wenig Trost geben kann.“
Das tat es. „Dass unser Sohn in gewisser Weise noch weiterlebt, war für mich und meine Frau sehr wichtig“, sagt Xaver Laußer. Im vergangenen Jahr kam ein Schreiben, dass zwei der Transplantierten bis heute mit Organen von Stefan leben. „Das ist ein sehr großer Trost für mich. Ich hoffe, unsere Geschichte bewegt auch andere Menschen, sich für die Organspende zu entscheiden“, sagt der Vater. Schon direkt nach dem Tod Stefans bei der Beerdigung war ihm das Thema sehr wichtig. „Ich habe den Pfarrer gebeten, bei der Beerdigung die Organspenden ganz gezielt zu erwähnen – vor allen 400 Trauergästen“, sagt Xaver Laußer.
Alle Mitglieder der Familie Laußer, die Eltern und auch die zwei älteren Geschwister von Stefan, haben Organspendeausweise. „Wir haben oft in der Familie über das Sterben gesprochen.“ Berührung mit dem Tod gab es öfters, denn Vater Xaver, der aus dem Bayerischen Wald stammt, hat elf Geschwister, von denen heute noch vier leben. Als Stefan 19 Jahre alt war, verunglückte einer seiner Cousins tödlich als Beifahrer, der Fahrer war gegen einen Baum geprallt. „Da wurde es ihm klar, dass es ganz plötzlich sehr schnell aus sein kann“, sagt der Vater.