München – Die bayerische Bürokratie hat Hans Kopp schon oft Kopfzerbrechen bereitet. Er ist Chef der Münchner Arbeiterwohlfahrt. Im Herbst 2021 reiste er nach Tunesien, um dort ausgebildete Pflegekräfte für die AWO-Einrichtungen anzuwerben. Er fand auf Anhieb 13 geeignete Kandidaten – alle haben einen Bachelor-Abschluss an einer tunesischen Uni und Praxiserfahrung. Sie sprechen Deutsch auf B1-Niveau. Kopp stellte Arbeitsverträge aus, organisierte berufsbegleitende Deutschkurse in Bayern – und wartete. Monatelang. Noch immer haben nicht alle Tunesier das Visum erhalten, um in den AWO-Einrichtungen arbeiten zu dürfen.
Kopp könnte viele Geschichten erzählen über Telefonate, die er geführt hat. Mit der Ausländerbehörde in München, mit der zentralen Stelle für beschleunigte Fachkraftverfahren in Nürnberg, mit der Interessenvertretung der Pflegenden in Bayern. Es müssen ausländerrechtliche Unterlagen geprüft werden, außerdem die fachlich-inhaltlichen. Kopp kann nicht verstehen, warum das so langwierig ist. „Alle haben einen Bachelor-Abschluss an einer anerkannten Uni und sind medizinisch gut ausgebildet, das müsste doch für ein Einreisevisum reichen“, findet er. Fehlende Ausbildungsinhalte könnten die Pflegekräfte vor Ort nachholen. In den Einrichtungen werden sie gerade dringend gebraucht, betont Kopp. „Wir haben das nicht nur verschlafen, sondern verwehren uns die Möglichkeit, Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben.“
Seit Langem fordert die AWO eine Vereinfachung der Visa-Verfahren. Nun kommt diese Forderung auch von politischer Seite. Die langen Verfahren seien ein massives Hindernis für Unternehmen und Fachkräfte, schreibt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) an Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Er verweist auf Kritik von Unternehmern und „herausgehobenen politischen Akteuren“, welche an ihn herangetragen werde. Er gehe davon aus, dass es sich bei den langen Wartezeiten für Visa um ein weit verbreitetes Problem handelt, das deutsche Auslandsvertretungen in den verschiedensten Ländern betreffe. Besonders gravierend seien die Probleme in den Westbalkan-Staaten, betonte Herrmann. „Von dort sind für Visa auf der Grundlage der Westbalkan-Regelung Wartezeiten von über zwölf Monaten bekannt. Das ist nicht akzeptabel. Es darf nicht einfacher sein, an Deutschlands Grenzen Asyl zu beantragen, als an einer deutschen Botschaft ein ordentliches Arbeitsvisum zu erhalten. So kann der Fachkräftebedarf nicht vernünftig gedeckt werden.“
Herrmann forderte als ersten Schritt zur Verbesserung eine Übersicht von Wartezeiten für Visa. Außerdem halte er es für elementar, die Auslandsvertretungen fit für die gestiegenen Anforderungen zu machen, um Wartezeiten zu verkürzen. Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) forderte den Bund auf, rasch innovative Konzepte zu entwickeln, um ausländische Fachkräfte in der Pflege nach Deutschland zu holen. Ein Weg wäre, die bundesrechtlichen Anforderungen an die Dokumentenprüfung zu überarbeiten. Länder wie Irland machten vor, dass es anders gehe: Ausländische Pflegekräfte erhalten dort keinen Bescheid mit detaillierter Defizitfeststellung, sondern können ihre Fähigkeiten bei einer standardisierten Prüfung unter Beweis zu stellen. Danach erhalten sie die Berufszulassung.