Vor 80 Jahren hat er sich mit seiner Familie in Berlin das Leben genommen: Jochen Klepper. Der schlesische Journalist und Schriftsteller konnte das Leben unter dem Nazi-Regime nicht mehr ertragen. Klepper war mit einer jüdischen Frau verheiratet, die sich hatte taufen lassen. Zwei Töchter aus erster Ehe brachte seine Partnerin Hanni mit in die Ehe – Brigitte und Renate.
Klepper, den ein Studienkollege als „weicher, liebevoller auf den anderen eingehend, leiser und scheuer“ als andere beschrieben hat, musste um sich und seine Familie fürchten. 1937 wurde Klepper aus dem deutschen Schriftstellerverband ausgeschlossen. 1938 musste die Familie ihr Berliner Haus verlassen – es sollte wegen Hitlers Bauplänen abgerissen werden.
Die ältere Tochter Brigitte brachten die Kleppers 1939 rechtzeitig ins Ausland nach England. Mit der jüngeren blieben sie in Deutschland. 1940 wurde Klepper zum Kriegsdienst einberufen. Ein Jahr später haben ihn die Nazis wegen „Wehrunwürdigkeit“ entlassen. Grund dafür war seine „nichtarische“ Ehe. Als abzusehen war, dass Frau und die jüngste, 20-jährige Tochter nicht mehr ausreisen können, dass sie verhaftet und voraussichtlich ins KZ gebracht werden würden, entschieden sich die Kleppers, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Irgendwann ist es aus mit der Kraft, sich einem Terror-Regime zu widersetzen. Nur Menschen, die tatkräftig zu einem stehen, die können helfen. Die gab es damals – aber in viel zu geringer Zahl. Und: Jochen Klepper und seine Familie gehören keiner vergangenen Zeit an. Es ist längst wieder von Nöten, die aktiv zu unterstützen, die heute als Juden attackiert werden. Es ist auch mehr als angebracht, dass im Evangelischen Gesangbuch zwölf Lieder von Jochen Klepper zu finden sind. Mehr gibt es darin von keinem zeitgenössischen Autor. In diesem Advent wird wie immer ein anrührendes Gedicht von Klepper aufgeschlagen und gesungen: „Die Nacht ist vorgedrungen“. Das hat er 1937 geschrieben. Ein Trostlied, das sich auch im katholischen Gotteslob und im Mennonitischen Gesangbuch findet.
Es handelt von umfassender Finsternis, die dem Morgen, also dem Licht weichen muss. Klepper war realistisch: Eine zu Ende gehende Dunkelheit bedeutet längst nicht jubelnde Freude. Aber sie verliert ihre furchtbare Endgültigkeit. Klepper dichtet: „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern. So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern.“
Das klingt beschaulich. Aber es geht weiter: „Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein. Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein. Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld. Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld.“ Das hat einer gedichtet, der nicht mehr leben konnte. Der aber darauf vertraut hat, dass es Hoffnung gibt.