München – Viele bayerische Landräte müssen ihren Vereinen gerade schlechte Nachrichten überbringen. Eine Turnhalle nach der anderen wird wieder für die Unterbringung von Geflüchteten gebraucht. In Tegernsee wird bereits die dritte umfunktioniert. Es ist die letzte Lösung – andere Möglichkeiten gibt es nicht mehr, alle Kapazitäten sind ausgeschöpft. Gleichzeitig kommen jeden Tag Busse, die neue Asylbewerber bringen. Aus der Ukraine, aber auch aus Syrien, Afghanistan, der Türkei. In Miesbach waren es vergangene Woche 100 Personen an nur einem Tag. Wann die Turnhallen wieder für Sport genutzt werden können, traut sich aktuell kein Landrat zu sagen.
In den bayerischen Ankerzentren ist die Situation ähnlich angespannt. Im Brucker Fliegerhorst sind aktuell 1000 Betten belegt, berichtet Ulrike Bienemann von der Caritas Fürstenfeldbruck. „Die vergangenen Jahre waren dort immer nur rund 400 Menschen untergebracht.“ Bienemann geht davon aus, dass die Kapazitätsgrenze von 1200 bald erreicht sein wird. Auch in ihrem Landkreis sind schon viele provisorische Unterkünfte entstanden.
Doch die Unterbringung ist nicht das einzige Problem, vor dem die Kommunen gerade stehen. Die Geflüchteten sprechen meist noch kaum Deutsch, sie brauchen Hilfe beim Ausfüllen von Formularen, bei Arztbesuchen, bei Behördengängen. Doch in fast allen Regionen ist die Zahl der ehrenamtlichen Asylhelfer in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. „Die Ehrenamtlichen sind wichtige Helfer für die Menschen“, sagt Bienemann. Ohne sie wären viele Geflüchtete überfordert.
Im Landkreis Dachau waren vor sechs Jahren noch knapp 1000 Ehrenamtliche aktiv, berichtet Koordinator Joachim Jacob. „Inzwischen sind es noch rund 250.“ Er ist auch Vorsitzender des bayernweiten Verbands „Unser Veto“, der seit sechs Jahren überregional die Helferzahlen abfragt. „Sie halbieren sich etwa alle zwei Jahre“, berichtet er. Für die verbleibenden Helfer wird die Arbeit immer mehr. Auch im Kreis Dachau sind wieder viele Notunterkünfte entstanden. In Hebertshausen hat das Landratsamt einen ehemaligen Edeka-Markt in eine Erstaufnahme verwandelt. „Alle 14 Tage kommt ein Bus mit etwa 50 Personen“, berichtet Jacob. Wer kommt – ob Familien, ob Ukrainer oder andere Nationalitäten – kann die Regierung von Oberbayern meist erst wenige Stunden vorher sagen. Nach etwa zwei Wochen werden die Menschen weiterverteilt. Für die Helfer macht das die Arbeit schwer.
Dazu kommt eine Menge Frust, berichtet Jacob. Einige Ehrenamtliche haben mehrmals erlebt, dass gut integrierte Flüchtlinge abgeschoben wurden. „Auch mit den Arbeitsverboten kämpfen wir seit Jahren“, sagt Jacob. Es gab Zeiten, in denen 15 Prozent der Geflüchteten in der Unterkunft in seiner Heimatgemeinde Petershausen weder arbeiten, noch Deutschkurse besuchen durften. In solchen Fällen werden die Helfer besonders dringend gebraucht, um Frust abzufangen. „Aber einige Ehrenamtliche fühlen sich wenig wertgeschätzt – wir werden oft als unbequeme Bittsteller und nicht als Helfer gesehen“, sagt Jacob.
Der 71-Jährige hatte wie viele andere Asylhelfer darauf gehofft, dass durch die neue Bundesregierung etwas in Bewegung komme. Davon spüren sie vor Ort aber noch nichts. „Die aktuelle Situation ist mit den Jahren 2015 und 2016 vergleichbar“, betont er. „Nur, dass inzwischen viele Unterkünfte heruntergekommen sind und viele Ehrenamtliche aufgegeben haben.“
Zumindest eines ist heute einfacher, sagt Ines Lobenstein, die den Helferkreis in Wolfratshausen leitet. „Wir sind heute ganz anders aufgestellt als 2015.“ Viele Asylhelfer seien längst zu Experten geworden, was Gesetze oder Anträge angeht, berichtet sie. Außerdem seien hauptamtliche Stellen geschaffen worden, zum Beispiel in der Asylberatung.
Natürlich gebe es auch neue Konflikte. So ist es für die Ehrenamtlichen oft nicht leicht, Geflüchteten zu erklären, warum den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine alles leichter gemacht wird, berichtet Lobenstein. Ihren Optimismus hat sie dennoch nicht verloren. Er nährt sich zum Beispiel davon, dass anerkannte Flüchtlinge nun die Helfer bei ihrer Arbeit unterstützen. Außerdem ist Lobenstein viel zu pragmatisch, um zu zweifeln. „Es hilft nichts, die Augen davor zu verschließen, dass wieder mehr Menschen zu uns flüchten“, sagt sie. „Wir haben das schon einmal geschafft – wir schaffen es wieder.“