Der Gin aus dem Salzbergwerk

von Redaktion

Am Berg gebrannt, im Berg gereift: In Berchtesgaden entsteht tief unten ein besonderer Schnaps

VON TRISTAN BERGER

Berchtesgaden – 600 Meter fährt man mit der Grubenbahn in den Berg hinein. An der Decke türmt sich ein mehr als 100 Meter großes Salzgestein, das sogenannte „Haselgebirge“. Danach geht es nur noch zu Fuß weiter. Denn der Stollen ist niedrig und eng. Kühl ist es hier. Nach einer Kurve, plötzlich ein Licht: Was beim ersten flüchtigen Blick wie ein Altar der Bergleute anmutet, ist ein Schnapslager. Mitten im Salzbergwerk von Berchtesgaden lagern 1000 Liter an Hochprozentigem. Der „1517 Miner’s Gin“, den es seit dem 500-Jahr-Jubiläum des Salzbergwerks gibt.

„Das ist feinster Wacholdergeist, ein Gin der Extraklasse“, sagt Max Irlinger (33) stolz. Er ist Brennmeister der Brennerei Grassl, der ältesten Bergbrennerei Deutschlands, und hat ihn in den vergangen Wochen selbst gebrannt.

Die Brennhütte ist eine von vier Hütten im Nationalpark Berchtesgaden. Im Frühjahr und Herbst, wenn die anderen Hütten durch Schnee und Eis nicht erreichbar sind, wird hier Enzian, Bär- und Meisterwurz gebrannt. Und eben auch der Gin, der später im Salzbergwerk reift.

„Zum Brennen braucht’s Feuer und Wasser“, erklärt der Brennmeister. „Deshalb stehen die Bergbrennhütten immer da, wo Wasser ist.“ Und wo es Holz gibt. Zehn Ster braucht Max Irlinger pro Saison allein auf der Eckerleiten.

Sogar die für einen Gin unverzichtbaren Wacholderbeeren – „ohne die ist ein Gin kein Gin“, – pflückt der gelernte Holzbearbeitungsmechaniker zusammen mit anderen Sammlern eigenhändig von den Ästen des strauchartigen Zypressengewächses.

Das Wacholderbrennrecht ist über 350 Jahre alt: Am 28. März 1692 wurde einem Wirt namens Thomasen Grässel „auff Wiederrueffen“ das „Kronabet-Brandtwein-Brennen“ erlaubt und zwar „gegen „Raichung 2 Scheffel jährlichen Diensts“.

Weil es zum Brennen von „Kronabet-Brandtwein“ unweigerlich Kronabet-Beeren braucht – „Kranewitt“ ist das bis heute in Südbayern und Österreich gebräuchliche Wort für die Wacholderbeere – darf die Brennerei Grassl im Nationalpark Berchtesgaden die Beeren des Wacholderbaums bis in die Gegenwart ernten und verarbeiten.

„Für das Brocken der Wacholderbeeren muss man den richtigen Zeitpunkt erwischen“, erklärt Max Irlinger. Das Zeitfenster ist eher schmal und schwankt Jahr für Jahr um mehrere Wochen. „Die Beeren dürfen nicht mehr grün sein, aber auch noch nicht braun.“ Nur wenn sie die typische blauschwarze Farbe haben, könnten sie zum Ginbrennen verwendet werden.

Wie viele Beeren es für 100 Liter Gin braucht? „Das weiß nur der Destillateur“, sagt Max Irlinger mit entwaffnender Ehrlichkeit, und dieser verrät es niemanden. Die Rezeptur des Destillateurs wird gut verschlossen im Firmentresor aufbewahrt.

Zurück in die Brennhütte am Priesberg, wo die Holzscheite bereits lodern. Jetzt kann der eigentliche Brennvorgang beginnen. Aus feinem Wacholder und 21 Botanicals wird der Gin von Hand in Kupferbrennkesseln der ältesten bayerischen Bergbrennerei gebrannt. Botanicals sind übrigens die Gewürze und Aromen, die dem Gin den jeweiligen Geschmack geben.

Dieses hochprozentige Mazerat gibt Max zusammen mit dem klaren Gebirgswasser in die Brennblase. Er führt die Temperatur behutsam an exakt 78,15 ˚C heran. In diesem Moment verdampft der Alkohol, um anschließend im Spiralkühler zu kondensieren, jetzt angereichert mit köstlichen Aromen von 22 Gewürzen.

Seine ganz besondere Note bekommt der „Miner’s Gin“ aber durch die Reifung im Berg. Gelagert wird das Gin-Destillat bei konstant 12 Grad und gleichbleibender Luftfeuchtigkeit etwa drei Monate lang – eine bewusst kurz gewählte Lagerzeit, um die floralen Noten nicht zu zerstören.

Die etwa 100 bis 120 Jahre alten Tonfässer, in denen der „Miner’s Gin“ im Übrigen lagert, werden nie ganz voll gemacht. So verbleibt etwas Luftraum, der Sauerstoff oxidiert dadurch mit dem Alkohol und die beißende Schärfe mildert ab. Das daraus resultierende Aromen-Spiel bekommt der Gin auch durch die vorherrschende Salz-Luft, welche in dem über 250 Millionen Jahre alten Salzstock herrscht. Das Geheimnis des Bergwerk-Gins.

Der Gin schmeckt nach Bergen, Salz und Hochgebirgskräutern. Der halbe Liter kostet 27,99 Euro. Ein bisserl Marketing stecke aber auch hinter dem Bergwerks-Gin. Das gibt der Geschäftsführer der Brennerei Grassl, Florian Beierl, unumwunden zu. „Gin ist ein Trendgetränk“, sagt er, „irgendwie muss man sich ja unterscheiden, wenn fast jeden Monat eine neue Gin-Kreation auftaucht.“ Das aber ist dem Max relativ wurscht, weil: „Ich brenn für mei Arwad“, sagt er. Eh klar.

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