Tegernsee: Razzia im Luxushotel

von Redaktion

VON KLAUS WIENDL

Rottach-Egern – Keine Spuren im Schnee führen zu Usmanows bevorzugtem Zweitwohnungssitz in der Fischerstraße. Niemand scheint sich um die verlassene Villa am Seeufer zu kümmern. Allein die vier verhüllten Fahrzeuge vor der Doppelgarage lassen ahnen, welche Betriebsamkeit noch im Februar hier geherrscht haben mag.

Inzwischen hat Alisher Usmanow das Weite gesucht. Doch die winterliche Idylle in Rottach-Egern trügt. Nach der Razzia am 21. September mit über 200 Beamten, die Papiere und Wertgegenstände beschlagnahmten, schlug die Taskforce „Ukraine“ nun ein zweites Mal zu. Unweit seiner Villa, die er 2011 über Mittelmänner und Offshore-Firmen in der Steueroase Isle of Man als „wirtschaftlich Berechtigter“ erwarb. Es war am Mittwochmorgen vergangener Woche, als sich etwa ein Dutzend Menschen an der Rezeption des Luxusresorts „Überfahrt“ meldeten. Allerdings keine Reisegruppe, die im Malerwinkel einchecken wollte, sondern Fahnder des Bundeskriminalamtes und der Steuerfahndung, berichtet nun die Süddeutsche Zeitung. Sie wollten Auskunft über den offensichtlichen Dauergast Usmanow.

Obwohl ihm insgesamt vier Immobilien am Seeufer zugeschrieben werden, genügten ihm diese offenbar nicht. Viele Tage und Nächte verbrachte er auch in der „Überfahrt“. „Ich mietete dort Zimmer wie andere Gäste auch“, ließ der mehrfache Milliardär unserer Zeitung im August ausrichten. Er habe sich im „einzigartigen Ort Rottach-Egern wie zu Hause gefühlt“. Dies könnte ihm nun zum Verhängnis werden. Denn die Ermittler forschten nach Belegen, wie lange Usmanow die Annehmlichkeiten des Hotels und seiner Hauptvilla zu schätzen wusste.

Wenn es pro Jahr mehr als 182 Tage waren, hätte Usmanow dies dem zuständigen Finanzamt anzeigen müssen, dem er 555 Millionen Euro an Einkommen- und Schenkungssteuer schulden soll. Was dieser bestreitet. Er habe sein Einkommen in Russland versteuert. Wegen eines Doppelbesteuerungsabkommens mit Russland sei er nicht verpflichtet gewesen, Einkommenssteuer in Deutschland zu zahlen

Wegen seiner Nähe zum Kremlchef landete der 69-Jährige Anfang März auf der EU-Sanktionsliste. Seit Putins Überfall der Ukraine sind es etliche Delikte, die Usmanow von der Staatsanwaltschaft München vorgehalten werden: Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz und die Sanktionsbestimmungen.

Und nun steht auch sein Lieblingshotel „Überfahrt“ im Visier der Fahnder. Überliefert ist, dass Usmanow jahrelang ganze Suiten in der dritten Etage des Hotels als Dauergast angemietet haben soll, mit eigenem Fahrstuhl in die Tiefgarage. Sollten für Usmanow allerdings ganzjährig Zimmer vorgehalten worden sein, wäre dies für die Fahnder ein Indiz dafür, dass er sich in Deutschland seit Jahren eingenistet hatte. Denn der schwerreiche Unternehmer ging dort ein und aus, unternahm Spaziergänge am Tegernsee und danach trank er „ein Bier mit Freunden. Dinge eben, die ich liebe“, so Usmanow.

Mehr als ein Bier gab es bei seinen Feiern mit viel Wodka und Champagner im Hotel. Diese mussten stilecht vom Personal mit Säbeln geköpft werden, erzählen Augenzeugen. Die Direktion gibt dazu keine Auskunft. Diskretion ist Ehrensache. Nach eigenen Angaben traf sich hier Usmanow 2011 auch mit Russlands Ex-Präsident Michail Gorbatschow, der dort mit seiner Tochter Irina speiste. Sie besaß seinerzeit das nahe Hubertus-Schlößl, eine Villa mit vielen Türmchen.

Rottach-Egern hatte Usmanow 2008 erstmals nach einer Augenoperation in München besucht. Ab 2011 ließ er eine Villa nach der anderen am Tegernsee erwerben. Aus der „Überfahrt“ ließ sich Usmanow auch das Essen liefern. Der Komfort nahm abrupt ein Ende, als Putin am 24. Februar die Ukraine überfiel. Der Milliardär packte seine Koffer und verschwand vier Tage später rechtzeitig aus Oberbayern, bevor er kurz danach auf der EU-Sanktionsliste landete. Seither sind die vier Villen verwaist und das Hotel „Überfahrt“ hat einen Milliardär als Dauergast weniger.

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