Burghausen – Bis Dreikönig ist die Welt noch aus den Fugen, zumindest heißt es das in den Mythen über die zwölf Rauhnächte. Karin Seehofer, 63, ist Expertin zu diesem Thema. Seit etwa 20 Jahren ist sie Gästeführerin in Burghausen (Kreis Altötting), jedes Jahr gibt sie Führungen zu den Rauhnächten. Die 63-Jährige weiß alles über den Ursprung und die Bräuche, denn besondere Rituale sollen vor bösen Geistern beschützen.
In den Rauhnächten ist Wäsche waschen verboten. Trauen Sie sich das bei sich zuhause?
Nein, ich wasche derzeit nicht. Aber das hat nichts damit zu tun, dass ich glaube, es bringe Unglück oder böse Geister aus der Wilden Jagd (siehe unten) kämen und sich darin verfangen, sondern weil es ein Brauch aus meiner Kindheit ist, den ich übernommen habe.
Räuchern Sie auch?
Ja. Man kann glauben, dass man damit Böses vertreibt, sicher ist aber, dass dieser spirituelle Vorgang besinnt und entspannt. Ich nehme dafür Räuchermischungen aus Baumharz und Kräutern und lege sie auf eine glimmende Kohle. Mit Salbei räuchert man etwa, um das Haus nach einer Krankheit zu reinigen.
Welche Mythen gibt es noch zu den Rauhnächten?
Früher hat die Vorbereitung für die Rauhnächte bereits vor Weihnachten begonnen. So hieß es am 25. November ,Kathrein stellt den Tanz ein‘. Ab da sollten auch alle Räder stillstehen. In den Sperrnächten oder auch Dunkelnächten sollte man sich ruhig verhalten. Kerzen in den Fenstern sollten böse Geister fernhalten und die guten anlocken. Man sollte auch nichts Unerledigtes mit ins neue Jahr nehmen und Rechnungen begleichen. Es gibt zwölf Rauhnächte. Jede davon hat einen speziellen Brauch. In der Christnacht beispielsweise nahm man ein angebranntes Holzscheit aus dem Feuer, das man später im Jahr anzündete, wenn ein großes Unwetter drohte. Das Feuerwerk an Silvester ist auch darauf zurückzuführen, dass mit möglichst viel Krach böse Geister vertrieben werden sollen.
Wo und wann haben die Mythen ihren Ursprung?
Der geht sehr weit zurück, bis zu den Kelten. Früher war zu der Zeit im Jahr die Hofarbeit erledigt und man zog sich in die Hütten zurück. Die Menschen wussten nicht, ob sie den Winter überstehen würden. In dieser dunklen Zeit haben sie sich Sagen erzählt und es kamen viele Ängste auf. Sie haben sich erzählt, dass unheilvolle Kräfte aus den Schatten hervortreten. Deshalb erfanden sie die Bräuche, um Gutes zu bewirken.
Warum sind die Rauhnächte genau zwischen Weihnachten und Dreikönig?
Im 16. Jahrhundert, als man den Mondkalender mit 354 Tagen auf den Sonnenkalender umgestellt hat, sind die zwölf Nächte hinzugekommen. Die Leute waren abergläubisch und glaubten, die Welt gerate in dieser Zeit aus den Fugen und es würden sich Tore zu Anderswelten öffnen, durch die Geister in unsere Welt übertreten.
Woher stammt der Begriff der Rauhnächte?
Zum einen steht „rau“ für das kalte und nasse Wetter in dieser Zeit. Auch von „Rauch“ kann der Begriff abstammen. Außerdem ist „Rauchwerk“ eine frühere Bezeichnung für Pelz, die auf die Felle der Perchten zurückzuführen ist.
Welche Rolle spielen die Bräuche für Sie persönlich?
Die Bauern haben das Wetter während der zwölf Rauhnächte als Vorhersage für die kommenden zwölf Monate interpretiert. Man kann auch seine Träume während der Rauhnächte auf das neue Jahr beziehen. Ich führe ein Rauhnacht-Tagebuch, in dem ich das Wetter und meine Träume festhalte. Seltsamerweise haben die Vorhersagen bisher immer einigermaßen gestimmt. Was man auch machen kann, ist 13 ideelle Wünsche für das kommende Jahr vor der ersten Rauhnacht auf kleine Zettel zu schreiben. Jede Nacht verbrennt man dann einen davon, ohne ihn zu lesen. Den 13. Zettel öffnet man erst am 6. Januar. Um diesen Wunsch muss man sich selbst kümmern. Ob man daran glaubt oder nicht, ist jedem selbst überlassen. Man weiß nicht genau, was es gibt zwischen Himmel und Erde, aber in allem steckt ein Körnchen Wahrheit.
Interview: Lea Warmedinger