Peiting – Um halb acht schrillen Sirenen durch Peiting im Kreis Weilheim-Schongau. Ein Bahnunfall, ein Zug ist entgleist. Betroffen ist der Zug, der Schüler aus Richtung Weilheim nach Schongau befördert. Zu diesem Zeitpunkt weiß noch keiner, welches Ausmaß das Unglück hat. Die schlimmen Bilder von der Katastrophe in Burgrain bei Garmisch-Partenkirchen, die sich vor einem guten halben Jahr ereignet hatte, tauchen wieder auf. Vier Frauen und ein 13-Jähriger starben dort am 3. Juni 2022.
Peitings Feuerwehrkommandant Klaus Straub alarmiert am Dienstagmorgen weitflächig. Vor Ort wird klar: Der Zug ist entgleist, steht jedoch im Gleisbett. An die 50 Fahrgäste – fast ausschließlich Kinder und Jugendliche – sitzen drin, sie waren auf dem Weg zur Schule. Bei allem Schrecken macht sich schnell Erleichterung über das Glück im Unglück breit: Verletzt ist keiner, drei Fahrgäste stehen unter Schock. An dieser Stelle, kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof, drosselt der Lokführer die Fahrtgeschwindigkeit auf 30 km/h.
Eine Jugendliche erzählt: „Ich habe erst gar nicht so recht überrissen, was passiert“, sagt sie. „Es hat geschüttelt, viele sind erschrocken.“ Eine Zwölfjährige aus Hohenpeißenberg sagt: „Ich bin geschockt, wir wurden richtig durchgeschüttelt.“ Mit ihrer Freundin war sie auf dem Weg zum Schongauer Gymnasium. „Ich hab mir nur gedacht: Was soll ich machen? Und: Hoffentlich kippen wir nicht um.“
Auch die Kinder, die am Bahnhof auf den einfahrenden Zug warteten, werden die Geschehnisse nicht so schnell vergessen. Rund hundert Meter von ihnen entfernt ereignet sich an diesem Morgen der Unfall: „Es hat mega-laut geknirscht, dann hat es richtig bumm gemacht, bis der Zug zum Stehen kam“, beschreibt eine Fünftklässlerin aus Peiting den Schreckensmoment.
Was ist passiert? Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sagt: „Die genaue Ursache muss so schnell wie möglich gefunden werden, damit ähnliche Fälle künftig verhindert werden können.“ Die Bundespolizei ermittelt, auch ein Notfallmanager der Deutschen Bahn inspiziert nach dem Unglück die Lage. Erst wenn der Zug von den Gleisen gehoben ist, erklärt er, lasse sich die Ursache feststellen. Am Abend teilt die Bayerische Regiobahn BRB, die die Pfaffenwinkelbahn betreibt, mit, dass sie nach ersten Erkenntnissen aufgrund der verworfenen Gleise und zerstörten Weiche von einer Streckensperrung von vier Wochen ausgeht.
Wie lange die Aufarbeitung eines Zugunfalls dauern kann, zeigt auch das Unglück von Burgrain. Die Schuldfrage ist auch sieben Monate danach immer noch ungeklärt. Oberstaatsanwältin Andrea Grape von der Staatsanwalt München II sagt auf Anfrage unserer Zeitung: „Es wird noch etwas dauern.“ Die Anklagebehörde ermittelt gegen vier Bahnmitarbeiter wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Dabei soll es sich um den Streckenverantwortlichen, zwei Fahrdienstleiter und den Lokführer handeln.
Auf der Zugstrecke Weilheim – Schongau kämpft die Bayerische Regiobahn seit Monaten mit Alterserscheinungen. Immer wieder kommt es auf der Strecke zu teilweise drastischen Zugverspätungen oder -ausfällen – unter anderem wegen sogenannter „Langsamfahrstellen“. Weil die Gleise an diesen Stellen reparaturbedürftig sind, darf der Zug hier nur noch mit gedrosseltem Tempo fahren. Im Bereich des Bahnhofs Peiting-Ost, sagt eine Bahn-Sprecherin, sei die Gleisinfrastruktur im Vorjahr aber erneuert worden. bas/bo/caz/mc