München – Nach 90 Minuten Gespräch bestellt sich Jenny Schack einen zweiten Kaffee. Dann entschuldigt sie sich, als sei das jetzt maßlose Völlerei, und bittet darum, den Kaffee selbst zahlen zu dürfen. Wie bitte? Das soll ausgerechnet die Nachfolge des Abgeordneten Alfred Sauter sein?
Eine nahtlose Fortsetzung wird das sicher nicht. Und das ist gut so. Schack, 41, ist in allem der komplette Gegenentwurf zu ihrem prominenten Vorgänger. Jung, weiblich, bescheiden. Nichtjuristin, Neuling ohne dickes Netzwerk aus der Jungen Union. Die CSU in Günzburg schickt sie genau deshalb als Direktkandidatin für den Landtag ins Rennen. Schack soll der Partei den einst bombensicheren Stimmkreis retten. „Weil ich nicht belastet bin“, sagt sie. „Weil ich das Gegenteil bin.“
Von Sauter, 72. Kurzfassung: Seit 40 Jahren Mandatsträger, war in den 90ern Bayerns Justizminister, extrem gut vernetzt, einer der findigsten Juristen der CSU. Aber skrupellos im Nutzen seiner Kontakte. Als er 2020 in der größten Corona-Not Maskendeals vermittelte, sechsstellige Provisionen einsteckte, als Staatsanwälte seine Büros durchsuchten, warf ihn sogar die sehr affärenerprobte CSU-Fraktion raus. Juristisch null Fehlverhalten, ergab sich hinterher, aber moralisch zum Himmel stinkend.
„Es war ein Erdbeben“, sagt Schack. Europaweit Schlagzeilen, der größte Schock natürlich in Günzburg, wo Sauter über Jahrzehnte die prägende Figur war, mit seinen Kontakten viel Gutes für die Region tat. Reihenweise verließen verstörte Mitglieder die CSU, meistens enttäuscht von Sauter. Dem Kreisverband dämmerte: Wir brauchen den totalen Neuanfang.
Also Schack. Sie ist damit eine der spannendsten, ungewöhnlichsten Personalien der Landtagswahl. Anders als viele Ehrgeizlinge drängte sie nie in die Berufspolitik. Weil’s ja ein Leben gab, Hobbys, zum Beispiel Feldhockey, kurz vor dem Sprung in die Nationalmannschaft. Später die Familie, zwei Töchter (10/6), der Ehemann Arzt. Und den Beruf: Die studierte Journalistin war über ein Jahrzehnt BR-Korrespondentin in Günzburg, baute das Büro auf. 2020 verließ sie das Radio, wurde Sprecherin des neuen Landrats Hans Reichhart, der selbst aus der Landespolitik kommt. Er war es, so erzählt man sich, der nach dem Polit-Beben auf die Idee mit der Quereinsteigerin kam. „Kann etwas, durchsetzungsstark, motivierend“, beschreibt er sie.
„Blödsinn“, schildert sie ihre erste Reaktion damals. Die Basis sah das anders. Reichhart schickte Schack nach einiger Bedenkzeit in ein Auswahlverfahren, sie gewann. Ach ja, und sie trat 2022 erst mal in die CSU ein.
Es ist ein Wagnis, klar. Falls sie den Stimmkreis gewinnt – darauf deuten Prognosen hin – beginnt sie in München bei null. Sauter fuhr mit Seehofers in den Urlaub. Sie muss sich jede Handynummer, jeden Kontakt, mühsam neu erarbeiten. Große Hilfe vom Vorgänger ist nicht zu erwarten. Sauter, der die letzten Monate als fraktionsloser Hinterbänkler in München absitzt, und sie gehen sich bestmöglich aus dem Weg.