Königsdorf – Klaus Grubmüller (84) ist gebürtiger Münchner, lebte als Professor für Literatur des Mittelalters aber 30 Jahre lang in Norddeutschland. Im Ruhestand zog er nach Königsdorf im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen und entdeckte dort die Liebe zum Bairischen ganz neu. Gerade hat er sein Buch „Gutes Bairisch“ veröffentlicht. Dort erklärt er, wie eine gepflegte Konversation im Dialekt garantiert gelingt.
Sie sagen, Dialekt ist schick. Warum?
Das Bairische ist längst nicht mehr die Sprache der einfachen Leute. Die einfachen Leute können ja längst Hochdeutsch sprechen. Aber gerade die Oberschicht, Akademiker und Promis bedienen sich wieder mehr am Dialekt, um sich sprachlich von denen abzugrenzen, die ihn nicht beherrschen. Sie verfügen quasi über ein zweites Sprach-Register und fühlen sich damit besonders – wollen sich damit hervorheben.
Wo beobachten Sie das?
In den Medien, aber auch im Alltag. Wer heute im Fernsehen Dialekt spricht, stellt seine Kenntnis zur Schau. Er erweitert die instrumentelle Funktion der Sprache um eine expressive. Das heißt: Er zeigt, dass er zweisprachig lebt – und Mundart benutzen kann, wenn er will. Wer Wortschatz und Grammatik aber nicht in die Wiege gelegt bekommen hat, der kann auch in Fettnäpfchen steigen.
Haben Sie ein Beispiel?
Als der Fußball-Manager Matthias Sammer vor einigen Jahren beim FC Bayern München engagiert war, missfiel ihm die träge Spielweise seiner Mannschaft. Er nannte sie „lätschern“ – aber dieses Wort gibt es gar nicht. Peinlich, wenn aus der angestrebten Profilierung eine Blamage wird. Das zeigt: Mundart muss beherrscht werden.
Da drehen sich bei Ihnen die Fußnägel auf?
Es ärgert mich, wenn Wörter verhunzt werden, weil sie jemand nicht beherrscht. Der Laut -oa wird gerne falsch verwendet. Oans, zwoa, droa – so zählt man nicht auf Bairisch! Und Alm heißt Oim, nicht Oalm. Aber auch das Würstl oder die Brezl sind doch furchtbar.
Können Nicht-Dialektsprecher die Bestellung bei Metzger und Bäcker üben?
Sicher. Wichtig ist erstens, dass man den Verkäufer duzt. „Gib ma zwoa Würscht“, könnte man sagen. Oder eben – und Achtung mit dem oa: „I nimm drei Brezn.“
Und wie macht man mit seinem Freund Schluss?
Das ist leicht – und passt vielleicht auch, wenn man seinem Chef kündigen möchte: „Sepp, du spinnst ja! Mia glangts, jetzt mog i nimma und geh.“
Und wie ermahnt man herumalbernde Kinder?
Reißts eich zam!
Haben Sie auch Lieblingswörter?
Doagaff ist herrlich! Den Affen versteht jeder, aber besonders schön ist der Doag, also der Teig. Die Beleidigung rührt wohl daher, dass man damit eine besondere Schlaffheit verbindet. Außerdem mag ich das Wort iberdiba. „Der is a saubara Iberdiba“ heißt so viel wie „So ein überdrehter Kerl“.
Ihre Oma lebte in Oberammergau. Wie fluchte sie?
„Des is ja grod wia wenn i an oasch hintre greif“, hat sie uns Enkeln oft nachgerufen. Frei übersetzt: „Das ist ja, als ob ich an die Wand hinrede.“ Ein schöner Spruch, finde ich bis heute. Omas sind eben sehr wichtig für die Mundart.
Sie haben 30 Jahre lang in Norddeutschland gelebt und waren Professor für Literatur des Mittelalters und deutsche Sprache in Münster und Göttingen. Haben Sie dort Dialekt gesprochen?
Kein Bairisch. Es hätte mich ja niemand verstanden. In Münster habe ich einzelne Wörter aus dem dortigen Dialekt verwendet. Im Gegensatz zum Bairischen ist der nicht schwer, weil weder Intonation noch Satzbau speziell sind. „Es meimelt“ heißt „es regnet“ oder „Leeze“ Radl. So streut man ein kleines Augenzwinkern in einen Satz – und hebt sich ab.
Sollte „Bairisch“ ein Unterrichtsfach werden?
Zweisprachigkeit ist immer ein Gewinn. Würde Deutsch als Fach aber abgeschafft und durch „Mundart“ ersetzt, wären die künftigen Generationen arm dran. Sie könnten sich in Königsdorf verständigen, aber nicht in Hannover. Meinen Kindern habe ich im Norden übrigens kein Bairisch abverlangt. Sie wären Außenseiter gewesen, nicht ernst genommen worden. Sie sind klare Preißn, aber das ging halt nicht anders (lacht).
Textnachrichten auf Bairisch – ja oder nein?
Das kommt auf das Gegenüber an. SMS oder WhatsApp-Nachrichten im Dialekt sind okay – sofern sie der Empfänger versteht. In E-Mails oder gar Briefen halte ich Dialekt für unangebracht.
Das klingt nach einer schlechten Erfahrung…
Tatsächlich! Eine Bekannte aus Münster hat mir letztens einen Brief auf Bairisch geschickt. Dafür hat sie die Wörter gegoogelt. Das war lieb gemeint, ging aber großteils in die Hose. Ich bin gegen Hochmut à la „das mache ich jetzt einfach, so schwer ist dieser Dialekt ja nicht“.
Also im Zweifel lieber einfach lassen?
Wer Bairisch nicht kann, sollte es tatsächlich lieber lassen – oder eben lernen. Rechtschreibung gibt es für das Bairische als mündlicher Sprache übrigens gar nicht, aber die Lautung sollte halt richtig wiedergegeben werden. Ein Beispiel: „Klaus heuß i“ ist falsch. „Klaus hoaß i“ richtig.
Für wen haben Sie die Anleitung zum gepflegten Bairisch verfasst?
Könnern soll das Büchlein den Rücken stärken und zeigen, wie einzigartig Dialekt ist. Für diejenigen, die ihn nicht beherrschen, soll es Lehrmittel sein – um die Fettnäpfchen zu verhindern, die die Könner so ärgern.
Es gab Zeiten, da war Dialekt verpönt…
Eine alte Freundin sagte früher, sie spreche zwei Sprachen: Bairisch und Anständig. Das war in der Nachkriegszeit. Seit 2014 verbringe ich aber meinen Ruhestand in Bayern und habe überrascht festgestellt, wie selbstverständlich sich vor allem junge Leute hier wieder am Dialekt bedienen. Ich genieße dieses oberbayerische Lebensgefühl. Dialekt hängt eng mit unseren wertvollen Bräuchen zusammen: etwa der Tracht als kultureller Überlieferung, der Stubenmusi samt typischer Instrumente als Musiktradition und dem Du als Umgangsform.
Interview: Cornelia Schramm
Das Buch
„Gutes Bairisch. Eine Anleitung zur gepflegten Konversation“ ist im Volk Verlag erschienen. 120 Seiten, 18 Euro.