Im Stadel von oben in den Heuhaufen unten springen, in die Brennnesseln fallen, auch mal hineingeschubst werden, Kirschen essen und so viel Wasser trinken, dass einem fast der Bauch platzt, Kühe und Hasen streicheln… Ich habe es geliebt, als Kind viel Zeit bei meiner Tante und mit meinem gleichaltrigen Cousin auf dem Land zu verbringen. Sie wohnten bei Dachau in einer bäuerlichen Umgebung, wie es sie heute kaum mehr gibt. Geschäfte waren weit entfernt, Autos eine Rarität. Einmal wöchentlich kam ein fahrender Verkäufer und lieferte die notwendigen Lebensmittel an. Das größte Glück für uns Kinder waren die frischen Brezn, die wir bekamen, jeder eine. Hundsgemein, wenn eine der frei herumlaufenden Hennen herangackerte und einem so viel, wie es der kindliche Schrecken und ihr Hühnermut erlaubte, mit ihrem Schnabel wegrupfte. Manchmal hoben wir den Rest des Laugengebäcks aus dem Schmutz auf, in den es im Verlauf der geflügelten Attacke gefallen war. Schließlich mussten wir Kinder eine ganze Woche auf eine einzige neue Brezn warten.
Mir fallen diese alten Geschichten ein, wenn ich beim Bäcker stehe, um Brezn zu kaufen. Sie sind so teuer geworden, dass ich wie früher wenig begeistert wäre, wenn eine gefiederte Mitesserin mir davon etwas wegpickte. 70 Cent lege ich schon lange auf den Tresen. Schnell wurden es 75, 80, 90 und dann – puh! – 100. Ein Euro für eine Brezn. Inzwischen habe ich schon welche für 1,10 Euro gesehen. Im Supermarkt kurzes Aufatmen bei 49 Cent – aber beim Essen… na ja. Eine Alternative sind knappe 700 Gramm gefrorene Rohlinge für 3,89 Euro mit Salz im Tütchen. Das ist noch relativ preiswert. Allerdings kommt der Strom fürs Aufbacken dazu und der ist nicht billig.
Brezn sind, wie anderswo vielleicht Schrippen oder Rundstücke, ein Symbol dafür, was das Leben kostet. Es kostet viel. Auch die einfachsten Dinge können sich manche Menschen nicht mehr leisten – oder nur selten. „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie Kuchen essen!“ Frankreichs Königin Marie Antoinette, die den Luxus liebte und lebte, hat diesen Satz kurz vor der Französischen Revolution in Wirklichkeit nie gesagt. Aber: Eine Einstellung, die ignorante Ahnungslosigkeit von den Nöten der Menschen signalisiert, kann zu allen Zeiten zum Aufstand führen.
Ich bin dankbar, dass ich den Wert von Brot und Brezn sehr früh kennengelernt habe. Nicht, um Revolutionen zu verhindern. Sondern um den Kopf oben zu behalten und zu verstehen, wie es anderen geht. Was ihnen fehlt, was sie brauchen. So kann ich meinen Teil für sie tun.